Schon bevor wir zu dieser Reise aufgebrochen waren, stand für uns fest, dass wir noch einmal zum Salar de Uyuni wollten, auch wenn wir in dieser Gegend bereits auf unserer ersten Südamerikareise vor fünf Jahren einige Tage verbracht hatten. Damals hatten wir nur den "Not"camper, und bei den Temperaturen im Altiplano zogen wir es doch meist vor, nicht draußen zu übernachten. Außerdem hatte der Wagen keinen Vierradantrieb, so dass wir uns die Runde entlang der Lagunen, die vom Salar an die chilenische Grenze führt, nicht zu fahren trauten - bloody beginners.. Diesmal hatten wir alles Fehlende dabei: 4WD, eine (noch/wieder) funktionierende Heizung im Auto, gute Schlafsäcke und jede Menge kalter Outdoornächte in den vergange-nen Monaten.
Im chilenischen Arica waren wir am Sonntagnachmittag angekommen, sowohl die Grenze selbst als auch das sonntägliche Leben in Arica vermittelten vom ersten Moment an einen ganz anderen Eindruck als Peru. Die Supermärkte haben europäische Dimensionen (und Preise!!), die Kinder tragen beim Fahrradfahren Sturzhelme, und im Straßenverkehr gibt es Ampeln und Zebrastreifen, die sogar ernstgenommen werden. Wir waren in einer anderen Welt angekommen; wobei wir uns nicht sicher sind, welche uns besser gefällt. Am Montag hatten wir während der Suche nach einer Toyota-Werk- statt (Ja, wir brauchen schon wieder eine; diesmal war eine Schraube an einer Scheinwerferhalterung abgebrochen.) innerhalb einer halben Stunde sieben Reisende mit eigenen Fahrzeugen getroffen - ein österreichisches und ein deutsches Paar, die mit ähnlichen Autos wie unserem reisen, zwei spanische Motorradfahrer und ein Deutscher, der allein mit einem VW LT unterwegs ist. Die (Reise)Welt ist doch tatsächlich klein. Mit den beiden Pär- chen hatten wir uns auf dem Campingplatz verabredet, es wurde ein netter Abend mit vielen Geschichten und Erlebnissen aus zig Reisejahren.
Nach einem letzten Großeinkauf im Supermarkt starteten wir am Dienstagmittag in Richtung Nationalpark Lauca und bolivianische Grenze. Eine Zwi- schenübernachtung legten wir aus Nostalgie an genau derselben Stelle ein, wo wir vor fünf Jahren schon gestanden hatten. Das hätten wir uns damals auch nicht träumen lassen.. Da wir uns die nächsten Tage stets zwischen 3500 und 4500 Meter aufhalten würden und wir die letzten Wochen fast aus-schließlich auf Meereshöhe verbracht hatten, schien eine Übernachtung zur Akklimatisierung auf "nur" 3000 Meter ganz angebracht. Wir fuhren wieder vorbei an Kandelaberkakteen, die nur in Höhen zwischen 2500 und 2800 Metern wachsen, vom Straßenrand beäugten uns Vicunas, die sonnenhungri-gen Viscachas (ein Zwischending zwischen Kaninchen und Chinchilla) lebten noch an der gleichen Stelle und auch die Kirche im ansonsten verlassenen Dorf Parinacota war noch sehr schön anzuschauen. Wenn auch in umgekehrter Richtung - an all diesen Plätzen waren wir schon einmal gewesen. Erst kurz nach der Grenze, als wir von der Hauptstraße Richtung La Paz abbogen, betraten wir unbekanntes Terrain. Ab jetzt lagen gut 1100 Kilometer Piste vor uns, teilweise in sehr schlechtem Zustand bzw. nur mit Allrad befahrbar. Trotzdem freuten wir uns sehr auf diese Route und waren vor allem ziemlich gespannt, ob wir den Salar noch trocken antreffen würden, ein Touranbieter in Arica hatte von den ersten Regenfällen berichtet. Dass wir in den nächsten Tagen jede Wolke kritisch betrachteten, erwies sich allerdings als überflüssig - uns begleiteten ausschließlich Sonnenschein und blauer Himmel. Einziger klitzekleiner Wermutstropfen war der ziemlich heftige Wind, der jeden Nachmittag aufkam und die angenehmen Temperaturen zunichte machte.
Obwohl Straßenschilder (wie fast überall in Bolivien) nahezu gänzlich fehlten, kamen wir mit Fragen und mithilfe des Kompasses, den Jürgen extra für die Tour gekauft, eingebaut und mühsam eingenordet hatte, ohne Probleme und ohne uns zu verfahren in anderthalb Tagen bis zum Salar de Coipasa, der uns gleich die ersten fetten Salzspritzer am und unter dem Auto bescherte. Am Donnerstagnachmittag standen wir auf dem Salar de Uyuni, der uns auch dieses Mal vom ersten Moment an begeisterte. Wir fuhren die knapp 60 Kilometer zur Isla Pescado, zur Orientierung dienen die vorhandenen Spuren anderer Fahrzeuge. Mit fast 100 km/h über die absolut ebene Salzfläche zu düsen, ist schon ein ganz besonderes Erlebnis. Auch wenn man eigentlich weiß, dass das Salz meterdick ist und deshalb außer an den so genannten Ojos del Sal, feuchten Stellen, die zu dieser Jahreszeit aber selten und außerdem gut sichtbar sind, nichts passieren kann, traut man dem Ganzen gefühlsmäßig nie so richtig..
Diesmal sind wir im Frühjahr hier, und die Kakteen auf den Hügeln am und im Salar stehen in voller Blüte. Zum schier unglaublichen Anblick von Salz- see, Kakteenwäldern und blauem Himmel kommen auch noch hunderte von handtellergroßen zartrosa Blüten hinzu. Die Isla Pescado hatten wir am Nachmittag fast und am Abend ganz für uns allein - im Gegensatz zur Isla Incahuasi fahren hierher kaum organisierte Touren. Es gibt zwar auch keine angelegten Wege, mit ein bisschen Anstrengung (oh ja, wir sind auf fast 4000 Meter Höhe, da wird jeder Hügel zum Berg!) lässt sich trotzdem wun-derbar über die Insel und zwischen den meterhohen Kakteen hindurchwandern. Am Freitagmittag fuhren wir zur Isla Incahuasi weiter, auch hier spa-zierten wir über die Insel und ließen uns von den Farben und dem Kontrast von blauem Himmel, weißer Salzfläche und Felsinseln mit blühenden Kak-teen faszinieren.
Nach dem Salar lag nun die Route entlang etlicher Lagunen, alle weit über 4000 Meter hoch, vor uns. In jeder einzelnen standen oder wateten hunder-te Flamingos, bis auf die ganz jungen alle von einer wunderschönen rosa Farbe. Wir hatten gehört, dass sich die Tiere in den Lagunen hier oben über Nacht einfrieren lassen sollen und erst mit Sonnenaufgang wieder bewegen können, das konnten wir leider nicht beobachten - auch wenn die Seen am Rand durchaus gefroren waren. Die ersten anderthalb Tage unserer Seen-Route verbrachten wir an den Lagunen Canapa, Hedionda und Chiar Kota, wo wir auch übernachteten. Die Gegend ist wirklich extrem einsam, wären uns tagsüber nicht ein paar Tourjeeps begegnet, hätten wir uns wie die ein-zigen Menschen auf diesem Fleckchen Erde gefühlt.
Nicht zuletzt wegen der Laguna Colorada hatten wir diese Tour machen wollen, denn jeder, der sie bei Sonnenschein gesehen hat, kommt aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Die Farben sind aber auch wirklich der Wahnsinn: tiefblauer Himmel und ebenso tiefblaues Wasser in der Lagune, dazwischen rote Stellen, die von Plankton gefärbt sind, weiße Borax-Inseln und hunderte graziöser Flamingos. Man steht schon ziemlich sprachlos vor diesem Naturschauspiel. Wir übernachteten ganz allein am Mirador, auch wenn der Parkranger das am nächsten Morgen gar nicht so gerne hatte. Mit dem Anblick hätte man noch Tage verbringen können, aber der Sturm, der uns heute sogar schon beim Frühstück um die Ohren pfiff, machte das Draußensein ein bisschen ungemütlich. (Das Ganze erinnert manchmal schon arg an Wintercamping!!)
Am Geysirfeld Sol de Manana, wo es zwar leider keinen richtigen Geysir, dafür aber unzählige zischender und blubbernder Schlammlöcher gibt, legten wir einen kleinen Rundgang ein - immer schön vorsichtig, nicht zu nah an die Löcher und Spalten heranzukommen. Denn auch wenn uns nicht wirklich warm war, ein Bad im kochenden Schlamm musste nicht unbedingt sein. Übernachtet wurde an der Laguna Salada, am Abend und am Morgen gab es ein Bad in den Quellen, die hier mit angenehmer Badewannentemperatur aus dem Boden kommen. Es brauchte nur einen Hauch von Überwindung, sich im kalten Wind auszuziehen - dann galt es, möglichst kein Körperteil aus dem Wasser rausgucken zu lassen..
Und dann blieb nur noch die Laguna Verde, deren Farbwechsel von kristallklarem zu türkisgrünem Wasser wir bei unserem Besuch vor fünf Jahren verpasst hatten. Auch diesmal kamen wir fast zu spät, denn auch wenn der Reiseführer schreibt, der Wechsel würde sich zum höchsten Sonnenstand (also mittags, oder??) vollziehen, war halb zwölf nur noch ein kleiner Streifen klaren Wassers zu erkennen, der Rest hatte bereits die Farbe der Schränke in unserem Camper angenommen.
Nur noch der Grenzwechsel, dann lag auch dieser Teil unserer Reise hinter uns. Die Landschaft, die wir in diesen Tagen gesehen und jeden Moment genossen haben, ist unbeschreiblich schön. Auch oder vermutlich gerade weil die Gegend sehr einsam ist und unwirtlich wirkt, ist sie so faszinierend. Und auch hier waren wir wieder sehr froh darüber, mit so viel Zeit und Muße reisen zu können, wie wir wollen; Fotostopp, Pause machen und Über-nachten, wo es uns gefällt (und die Temperaturen es zulassen..)
Nachdem wir eine gute Woche in Einsamkeit und Wildnis zugebracht hatten, war San Pedro de Atacama gleichzeitig ein kleiner Schock und eine nette Abwechslung. Für drei Tage quartierten wir uns auf einem Campingplatz ein und taten nicht viel mehr als in der Hängematte zu liegen, tagsüber die Wärme zu genießen und abends nett essen zu gehen. Mit einem motorradfahrenden Paar aus Österreich, das von Alaska nach Feuerland unterwegs ist, wurden ein paar Reiseanekdoten und -erfahrungen ausgetauscht. Da wir vor fünf Jahren bereits in der Gegend waren, "mussten" wir diesmal keine weiteren Touren unternehmen - ähnlich wie in Cusco konnten wir uns ganz aufs Nichtstun konzentrieren. Einzige Ausnahme war das Valle de la Luna, wir wollten doch gern noch einmal zum Sonnenuntergang auf die große Sanddüne steigen. Außerdem hatten wir - warum auch immer - beim letzten Besuch hier nicht übernachtet, das wollten wir gern nachholen. So verbrachten wir einen faulen Nachmittag unter der Sonnenplane, alles andere wäre nicht auszuhalten gewesen. Und trotz des heftigen Windes, der auf der Spitze der Düne schon fast einem Sandsturm glich, blieben wir bis zum Schluss hier oben sitzen - bis auch die Spitze des 5916 Meter hohen Licancabur die violette Farbe verloren hatte.
Eine Autowäsche, die nach der Salarüberquerung ganz dringend ist, war in San Pedro de Atacama leider nicht zu bekommen, deshalb fahren wir weiter nach Calama und entlang der Panamericana ein Stück südlich. Wir wollen versuchen, einen kleinen Andenpass zu finden und fahren, von dem ich vor einiger Zeit gelesen hatte und der eine sehr schöne und vor allem wenig befahrere Andenüberquerung zwischen Copiapo auf chilenischer und Jagüe/Villa Union auf argentinischer Seite ermöglichen soll. Uns bleibt noch ein knapper Monat, bis wir in Buenos Aires sein müssen, um die Rückver-schiffung zu organisieren und selbst ins Flugzeug zu springen.
Nach einigem Hin-und-her-Überlegen haben wir uns entschieden, das Auto nicht in Südamerika stehen zu lassen, um von hier aus weiterzufahren, sondern es mit nach Hause zu nehmen und dann erneut zu verschiffen - wann immer uns der Sinn nach Weiterreisen steht. Wir wollen die Freiheit haben, so lange eine Heimpause einzulegen, wie uns danach ist. Eine Verschiffung von Chile in die USA wäre sehr teuer geworden, außerdem wären wir damit zeitlich gebunden gewesen. Hinzu kommt, dass wir gefühlsmäßig mit Südamerika "durch" sind, was fehlt und uns interessiert - Rio, die brasilianischen Strände im Norden, der Amazonas - können wir irgendwann besuchen, ein eigenes Auto braucht es für diese Tour nicht wirklich.
Das Schiff wird wie unser Flugzeug Buenos Aires am 15.12. verlassen, irgendwann Anfang Januar werden wir unseren Camper in Hamburg abholen können. Und neben Wiedersehensfreude, Weihnachten und Winter werden wir uns auch ein wenig mit den nächsten Zielen beschäftigen..
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