Um es gleich vorweg zu sagen: Wer mit Bergen nichts am Hut hat, sollte diesen Reisebericht am besten überspringen. Denn wir sind von der Bergwelt im Nationalpark Huascaran dermaßen begeistert, dass wir beim Fotografieren kaum an uns halten können..
Die beiden Gebirgsketten der Cordillera Blanca und der Cordillera Negra durchziehen die Region Ancash der Länge nach; die Cordillera Blanca weist mehr als 50 Gipfel auf, die höher als 5700 Meter sind. Mit 6768 Meter liegt hier auch Perus höchster Berg, der Huascaran. 1975 wurde ein Großteil des Gebietes zum Nationalpark erklärt, der seit 1985 zum Unesco-Naturerbe der Menschheit gehört. 20 Prozent seiner Fläche sind von ewigem Eis bedeckt - die vielen schneebedeckten Gipfel machen wohl einen guten Teil der Faszination aus, die die Suiza Peruana (Schweiz Perus), wie die Gegend auch genannt wird, ausstrahlt. Huaraz selbst, das auf 3090 Meter liegende Zentrum der Region, ist nicht wirklich schön. Nachdem die Stadt 1958 durch eine Eislawine und 1970 von einem schweren Erdbeben, bei dem 19.000 Menschen umkamen, nahezu vollständig zerstört wurde, gibt es keine kolonialen Gebäude oder Sehenswürdigkeiten mehr; man könnte die Architektur auch als funktionell bezeichnen.. Aber hierher kommt eh' niemand wegen der netten Häuser.
Nach anderthalb Schlechtwettertagen schien am Sonntag passenderweise wieder die Sonne. Die Wolken hatten sich zwar noch nicht ganz verzogen, für einen Tagesausflug sollte es aber ausreichen. Nur 15 Kilometer von Huaraz entfernt liegt das Minidorf Pitec, von dort startet die Wanderung zur Laguna Churup, die auf 4485 Meter liegt. Der Weg nach oben ist zwar recht steil, und an einigen Passagen muss auch ein wenig geklettert werden, aber nach-dem wir uns nun schon seit einigen Wochen ständig in Höhen über 3000 Meter aufhalten, war das kein Problem. Leider hatte sich kurz bevor wir oben ankamen, die Sonne wieder hinter die Wolken verzogen, so dass die Farbe des Sees nicht ganz so spektakulär daherkam wie wir es von Fotos kannten. Aber auch mit bedecktem Himmel schimmerte das klare Wasser in den kleinen Buchten mal türkis, mal grün. Als wir nach gut fünf Stunden wieder zum Parkplatz kamen, wartete unser Auto absolut unversehrt auf uns. Mit diesem Problem schlagen wir uns bei Tageswanderungen immer wieder rum: Wird das Auto noch da sein, wenn wir wiederkommen und wenn ja, in welchem Zustand?? Aber bisher hatten wir noch kein einziges Mal das Gefühl, dass sich jemand am Auto zu schaffen gemacht hätte. Wollen wir hoffen, dass es so bleibt..
Nachdem auch am Montagmorgen die Sonne von einem herrlich blauen Himmel strahlte und nur noch klitzekleine Wölkchen an den Bergen hingen, ver-ließen wir unseren Standort im Hotel Club Andino in Huaraz (der schon fast als Luxusstandort bezeichnet werden kann..). Nach unserem Ausflug zur Laguna Churup hatten wir ein Tal entdeckt, in das relativ weit eine Piste hineinführte und an dessen Ende man der Karte nach zu urteilen einen wunder-schönen Ausblick auf etliche Schneegipfel haben musste. Da es aber recht bewölkt gewesen war, hatten wir das auf später vertragt. Heute passte das Wetter genau, also fuhren wir die knapp 20 Kilometer bis zum Refugio unterhalb der Laguna Llaca (4474 Meter). Der Gletscher vom 5686 Meter hohen Nevado Wallunaraju (5686 Meter) endet mit einer fast 20 Meter hohen Wand in der Laguna. Über kleine Pfade und Felsblöcke kämpften wir uns bis ganz nah an die Abbruchkante heran, wagten uns dann sogar auf den Gletscher. Immer wieder brachen kleine Eisbrocken ab oder fielen Steine und Geröll ins Wasser; uns war schon klar, dass wir nicht zu weit nach vorn an den Rand durften!!
Zum Übernachten war es uns hier allerdings zu hoch - vor allem ich habe noch immer etwas Panik vor den Abenden, da wir ja keine Heizung mehr haben. Fairerweise muss ich allerdings gestehen, dass wir seit Cusco an keinem einzigen Abend gefroren haben, obwohl unsere Schlafplätze bis in einer Höhe von 3800 Meter lagen.
Nach kurzem Einkaufsstopp in Huaraz fuhren wir am Dienstag im Callejón de Huaylas, wie das Hochtal zwischen den beiden Bergketten genannt wird, nordwärts. Die Fahrt von Jangas hinauf zu einem 12 Kilometer entfernten Mirador auf der linken Talseite wäre fast zum Fiasko geworden, nachdem der wirklich schön gelegene Platz total mit Bäumen zugewachsen war. Mirador sin vista, Aussichtspunkt ohne Aussicht, sozusagen. Glücklicherweise hatten wir nur wenige hundert Meter weiter von einer Wiese freie Sicht auf die gegenüberliegende Bergkette incl. den beiden Gipfeln des Huascaran.
55 Kilometer von Huaraz entfernt liegt unterhalb des Huascaran Yungay, das am 31. Mai 1970 von einer Schlamm-, Eis- und Gerölllawine, die sich nach einem Erdbeben von der Nordwestflanke des Berges mit einer Geschwindigkeit von 250 km/h ins Tal wälzte, binnen Minuten vollständig begraben wurde. 18.000 Menschen kamen ums Leben, nur wenige Bewohner konnten sich retten. Der gesamte Ort wurde zum Friedhof erklärt, das neue Yungay etwas weiter nördlich aufgebaut. Es ist ein sehr merkwürdiges Gefühl, über diesen Friedhof zu gehen mit dem Wissen, dass der Boden die meterdicke Schlammschicht ist, die Häuser und Menschen unter sich begrub und aus der kaum jemand geborgen werden konnte.
Von Yungay führt eine Serpentinenstraße, die auf 26 Kilometer 1300 Höhenmeter überwindet, zu den Llanganuco-Seen hinauf. Wir kamen erst am Nachmittag oben an, als die Sonne schon fast aus dem Tal verschwunden war. Aber schon allein der Blick auf die Laguna Chinancocha, die noch ein wenig von der Sonne beschienen wurde und eine wirklich unglaubliche Farbe hat, war der Wahnsinn. Mehr türkis geht nicht!
Übernachten konnten wir wunderschön am Yurac Corral oberhalb des zweiten Sees, der Laguna Orconcocha. Mit Eseln und Kühen als Nachbarn ver-brachten wir auf knapp 3900 Meter eine ruhige Nacht. Am nächsten Morgen gönnten wir uns die beiden Seen nochmal im vollen Sonnenlicht - fast schon zu viel Farbe..
Vom sehr lustig benannten Cebollapampa (Zwiebelebene) wanderten wir am Mittag los, Ziel Laguna 69 (noch so ein lustiger Name..). In gut zwei Stun-den schafften wir die 6 Kilometer, die von 3900 auf 4600 Meter führen. Ein Typ, den wir am Abend trafen, meinte ganz richtig: Würde der Weg in 1000 Meter Höhe liegen, wäre es der reinste Spaziergang. Aber mit der Höhe wird's eben doch immer ein bisschen beschwerlicher.
Der erste Blick auf den See wird unvergesslich bleiben - das Blau ist schon unwirklich zu nennen. In Kombination mit dem sehr dekorativen Wasserfall und den umliegenden Fünf- und Sechstausendern ist die Laguna 69 der schönste Bergsee, den ich bisher gesehen habe. Eine Steigerung ist eigentlich nicht vorstellbar. Was sollte noch schöner sein?
Für eine knappe Stunde genossen wir das Panorama, dann wollten wir eigentlich über das Refugio Peru zurückwandern (Jürgen mag es gar nicht, wenn Hin- und Rückweg derselbe sind..). Als uns entgegenkommende Wanderer aber erzählten, dass es bis dahin drei Stunden seien, entschlossen wir uns angesichts der vorgerückten Stunde umzukehren und eben doch wieder auf gleichem Wege abzusteigen. Auch diesmal stand unser Auto am Abend noch genau so da, wie wir es abgestellt hatten. (Stimmt nicht ganz, es war staubiger..) Diesmal hatte aber auch ein netter Taxifahrer, der auf dem Parkplatz den ganzen Tag auf seine Fahrgäste wartete, ein bisschen mit aufgepasst. Wir merkten mal wieder, wie freundlich die Leute hier sind. Ge-schichten und Erfahrungen von anderen Reisenden, die Menschen in Nordperu seien unfreundlich, können wir mit keinem einzigen Erlebnis bestätigen.
Nachdem wir die Nacht wieder beim Yurac Corral verbracht hatten, wollten wir heute über den Pass Portachuela de Llanganuco (4767 Meter) auf die andere Seite der Bergkette wechseln, um von dort südwärts und letztlich eine Runde bis Huaraz zu fahren. Die Aussichten, während man die Passstraße nach oben fährt, werden mit jeder Serpentine schöner. Allein die Straße, die sich spektakulär nach oben windet, ist ein Erlebnis. Aber das Panorama von oben toppt alles. (Deshalb musste es auch einfach der Header für diesen Bericht werden!!)
Nach der Passüberquerung änderte sich die Landschaft ziemlich schnell. Man hatte kaum mehr Aussicht auf Schneegipfel, die Straße führte von hier ab durch Täler, die wir nun schon recht häufig gesehen bzw. durchfahren haben. Man merkt schon, wir werden ziemlich anspruchsvoll - ein einfaches (schönes) Tal kann uns schon gar nicht mehr beeindrucken..
Über Yanama, San Luis und Huari kamen wir auf der Staubpiste langsam südlicher; in den Tälern, die bis auf 2500 Meter runtergehen, ist es schon fast tropisch warm. Kaum zu glauben, dass nur wenige Kilometer entfernt einige Tausend Meter höhere, schneebedeckte Berge stehen. Touristisch ist die östliche Seite der Cordillera viel weniger entwickelt. In den kleinen Ortschaften waren wir mit unserem Auto mal wieder die kleine Sensation. Bis zu unserem Ziel, Chavin de Huantar, kamen wir heute nicht mehr. Irgendwann stellten wir uns zum Schlafen einfach in einen Steinbruch neben der Straße.
Trotz der Tatsache, dass wir ungefähr 20 Meter neben der Hautpstraße standen, hatten wir gut geschlafen. Bis Chavin waren es nur noch wenige Kilo-meter, und so kamen wir bei den Ruinen an, als gerade das Tor aufgesperrt wurde. Der Komplex gilt als eines der ältesten Steinbauwerke Perus, die Bauanfänge sollen um 1000 v.Chr. liegen. Nach Meinung der Archäologen war diese Art von Tempel Berg- und Naturgottheiten geweiht. Die genaue Bedeutung der Darstellungen auf den Steinreliefs und Stelen ist jedoch unklar.
Die Wände des Neuen Tempels waren mit steinernen Köpfen verziert, die Menschenopfer oder gefangene Feinde darstellen könnten. Der Alte Tempel besteht aus einem Labyrinth von Kammern, Nischen, Kanälen und Treppen, dessen Sinn und Zweck nicht ganz klar ist. Mit Taschenlampe und angehal-tenem Atem wagten wir uns in dieses Dunkel hinein..
Da die Anlage relativ klein ist, waren wir schon am späten Vormittag "fertig" und machten uns auf die letzte Etappe unserer Rundtour. Die 110 Kilo-meter von Chavin nach Huaraz sind auf der neuen Asphaltstraße zurückzulegen, die aber wegen etlicher Erdrutsche und unzähliger Schlaglöcher nicht wirklich gut ist. Dann lieber eine gescheite Piste - da weiß man wenigstens, dass man langsam fahren muss. An der Laguna Querococha machten wir ein verspätetes, dafür umso ausgiebigeres Mittagspäuschen; nach Huaraz kommen wir noch früh genug.
Nach zwei Ruhetagen in Huaraz (Dusche und Internet zogen uns wieder ins Club Andino) werden wir jetzt endgültig gen Norden aufbrechen. Von Caraz aus wollen wir noch ein bisschen wandern gehen, diesmal vermutlich auch mal wieder für einige Tage am Stück.
|