Recht kurz entschlossen hatten wir am Dienstag bei einer der drei in Sorata ansässigen offiziellen Agenturen eine Trekkingtour gebucht, der Spaß kostete uns für sechs Tage incl. Guide, Muli und Verpflegung knapp 1200 Bolivianos (ca. 120 Euro). Bei diesem Preis hatten wir nicht lange überlegt, ob wir unser Gepäck und die Verpflegung selbst schleppen sollen, sondern uns ziemlich schnell für die etwas einfachere Variante entschieden. Dass
die noch anstrengend genug sein würde, sollten wir noch hinreichend erfahren..
Am Mittwochmorgen starteten wir also mit Rucksack und Campingausrüstung zunächst gen Sorata, wo wir uns mit Claudio, unserem Guide für die nächsten Tage und unserem Muli treffen wollten. Schon dieser erste Streckenabschnitt war ziemlich anstrengend, denn unser Campingplatz, das Cafe Illampu, lag ca. 20 Minuten vom Dorf entfernt. Diese 20 Minuten führen erstmal bergab und anschließend wieder steil bergauf. Und das war nur der Beginn..
Das Muli wartete erst oberhalb des Dorfes auf uns, also musste sämtliches Gepäck incl. der Verpflegung für die Tour noch weiter bergauf ge-schleppt werden. Dann war es aber doch so weit, und wir konnten den Großteil des Gepäcks abgeben. Claudio hatte sogar zwei Tiere vorbereitet, ein Muli (ohne Namen), das er nur "mula" rief, und ein Pferd (ebenfalls ohne Namen), das er der Einfachheit halber "caballo" nannte. Auch wenn die Tiere gut behandelt werden, geht die Liebe denn doch
nicht so weit, ihnen Namen zu geben.
Der erste Tag hieß ausschließlich Aufstieg. Von Sorata auf knapp 2800 Meter ging es bis zur Laguna Chillata, die auf knapp 4200 Meter liegt. Immer schön langsam (schnell ging auch gar nicht!) stapften wir den Berg hinan, mal mehr, mal weniger steil - aber immer schön bergauf. Morgens gegen 10 Uhr waren wir losgelaufen, und außer einer knappen Stunde Mittagspause waren wir bis nach 16 Uhr gut unterwegs. Den ganzen Tag über brannte uns die Sonne
in den Nacken, erst kurz vorm Ziel kamen die ersten Wolken auf, und an der Laguna übernachteten wir im mystischen Nebel.
Tag zwei hieß Aufstieg zur Laguna Glacial auf knapp 5000 Meter, diesmal ohne Muli. Zelt und Ausrüstung blieben (mit Bewachung) an der Laguna Chillata. Wir starteten schon kurz nach 8 Uhr, den gesamten Vormittag über ging es wieder schön bergauf, diesmal zum Teil relativ steil. Da wir uns mittlerweile auf Höhen zwischen 4500 und 5000 Meter bewegten, fiel jeder Schritt doppelt schwer. Wir waren ziemlich froh, dass wir diesen Trek erst jetzt machten,
nachdem wir schon seit gut drei Wochen in diesen Höhen unterwegs sind - wobei sich Stadtbummel und Hochgebirgswandern irgendwie doch unterscheiden. Mittagspause gab es an der einmalig schönen Lagnua Glacial, in der sogar richtige kleine Eisbrocken schwimmen. Sie liegt unter-halb von Illampu und Ancohuma, beide Gipfel sind von hier unten aus toll zu sehen. Der Dramatik halber kamen noch ein paar sehr fotogene Wolken auf, die die Berge ringsum immer mal wieder verhüllten bzw. freigaben. Der Abstieg
zur Laguna Chillata war dann schon fast ein Kinderspiel - obwohl auch drei Stunden Bergablaufen ganz schön anstrengen.. (Das Knie hält!!)
Der dritte Tag ist immer der schlimmste, soviel wussten wir schon vorher. Die Beine sind nach zwei Tagen Wandern eigentlich ziemlich schlapp, aber man/frau muss trotzdem weiter. Also machten wir uns auf den Weg Richtung Paso Huilla Khota. Irgendwie fühlte es sich anfangs gar nicht nach dem anstrengendsten Tag der Wanderung an. Wir wussten aber, dass der Pass 4848 Meter hoch ist, und
als wir von der Laguna Chillata erstmal gute 500 Meter abstiegen und immer schön quer an den Hängen entlangliefen, war klar, dass wir irgendwann wieder viele Höhenmeter machen müssten. Vom Mittagspausenplatz war das Unheil schon gut zu sehen.. der Pass lag steil und ohne Pausen vor uns - die nächsten zweieinhalb Stunden sollte es permanent aufwärts gehen. Na Prost Mahlzeit, und das mit schweren Beinen.
Zwischendurch verfluchte ich diese ganze bescheuerte Tour und insbesondere dieses sinnlose Bergablaufen, nur um anschließend wieder bergauf zu laufen, mächtig. In einigen Momenten machte sich auch mal die pure Verzweiflung breit - nach dem Motto "Ich kann und will nicht mehr!!". Irgend-wann war aber auch dieser Anstieg geschafft. (Unser äußerst fotoverliebter Guide wollte auf der Passhöhe unbedingt ein Foto haben. Ich war nur noch in der Lage, den Auslöser zu drücken. Fürs Positionieren für ein Selbstauslöserfoto und das Hineinsprinten ins Bild war wirklich keine Kraft mehr..) Noch gut 400 Meter mussten wir absteigen, bevor wir den Zeltplatz für diese Nacht erreichten. Für mich war der Tag kurz nach 5 Uhr nachmittags beendet, nichts brachte mich mehr aus dem Schlafsack.
Tag vier sollte eine Art Erholungstag werden. Wir schälten uns erst gegen 8.30 Uhr aus den Zelten, denn die Sonne kam auf dieser Seite des Berges relativ spät zum Vorschein. Schön gemütlich wanderten, fast schlenderten wir heute talwärts. Nur gut fünf Stunden waren wir unterwegs, dann hatten wir schon unseren Zeltplatz, den wir zum ersten Mal auch ganz allein für uns hatten, erreicht.
Am nächsten Tag ging es zwar wieder einen Pass hoch, diesmal aber bei weitem nicht so lang und nicht so steil. Vielleicht waren wir aber auch nur schon gewöhnter?!? Vom 4765 Meter hohen Abra Illampu hatten wir herrliche Sicht auf Illampu, Pico Esperenza, Pico Schulze und wie die Berge der Cordillera Real alle heißen. Sogar der ungefähr 50 Kilometer entfernte Titicacasee war tiefblau schimmernd zu erkennen. Eigentlich sollte heute nach
dem Passabstieg nicht mehr viel passieren. Da wir uns aber noch ganz fit fühlten und der letzte Zeltplatz in einem ganz normalen Dorf lag, ent-schlossen wir uns, noch bis Sorata weiterzulaufen. Das bedeutete zwar einen außerplanmäßigen Abstieg vom Dorf Lackathiya (knapp 4000 Meter), wo eigentlich noch mal übernachtet werden sollte, auf 2800 Meter. Aber uns erschien es passender, die Tour mit diesem wenn auch harten aber phan-tastischen Tag zu beenden. Am Ende schlotterten uns zwar ein wenig
die Beinchen - aber wir kamen glücklich und gesund und munter in Sorata an. Insgesamt waren wir in den fünf Tagen 5100 Meter auf- und 4900 Meter abgestiegen, für die erste Tour nicht schlecht.
Am Montag legten wir einen dringend notwendigen Ruhetag auf dem Zeltplatz in Sorata ein. Mehr als faul in der Sonne rumsitzen, Reisebericht schrei-ben und Fotos bearbeiten war nicht drin; jeder Schritt wurde mindestens zwei Mal überlegt.. Die anfangs angedachte zweite Wanderung in der Gegend ließen wir dann doch sein, denn es warten ja noch viele andere tolle Berggegenden auf uns. Deshalb auf nach Peru!
Da wir die Strecke am Westufer des Titicacasees schon kannten, wollten wir diesmal über das sehr viel weniger befahrene östliche Ufer nach Puno fahren. Bis Escoma war die Straße zwar nicht toll, aber ok; ab dort erwartete uns eine Schlaglochpiste erster Güte. Für die knapp 30 Kilometer bis zur Grenze brauchten wir mehr als eine Stunde. In Puerto Acosto, dem letzten Ort in Bolivien, konnten wir weder eine Migracion (Ein-/Ausreisebehörde) noch
den Zoll finden, also verließen wir das Land ohne Ausreisestempel. (Das sollte sich noch rächen!!) Auch auf peruanischer Seite gab es keinen Grenzposten, folglich hatten wir auch erstmal keinen Einreisestempel.. In der Nähe von Conima übernachteten wir einfach an der "Hauptstraße", ober-halb des Seeufers, das in der Gegend mal wieder besonders schön war!
Als wir uns am Mittwoch in Puno den Einreisestempel holen wollten, überraschte uns die nette Dame von der Migracion mit der Nachricht, dass sie uns den Stempel nicht geben kann, so lange wir aus Bolivien nicht offiziell ausgereist sind. Wenn wir aber keinen Einreisestempel im Pass haben, sind wir illegal in Peru. Sie würde uns doch empfehlen, möglichst schnell zur Grenze zu fahren und die Papiere zu "bereinigen". Da wir zwischenzeitlich
die Nachricht erhalten hatten, dass in La Paz endlich unser Päckchen aus der Heimat, auf das wir seit drei Wochen gewartet hatten, angekommen ist (Beförderungsdauer schlappe fünf Wochen), war der Schock, an die Grenze zurück zu müssen, gar nicht so groß. Fahren wir eben noch mal die 250 Kilometer nach La Paz, um die Post zu holen und erledigen bei der Gelegenheit gleich alle Formalitäten. (Bei solchen Anlässen bemerkt man immer wieder, wie gut es uns in Europa doch
geht, wo dieser fürcherliche Grenzbürokratismus weitestgehend nicht mehr existiert.)
Innerhalb von 24 Stunden hatten wir also knapp 600 Kilometer hinter uns gebracht, dabei unser Paket geholt, sämtliche Papiere in Ordnung gebracht und gleich noch ein paar Bekanntschaften im Hotel Oberland aufgefrischt. Den Grenzort Desaguadero, den wir auf der Hinfahrt am Donnerstag noch ganz "zahm" erlebt hatten, fanden wir am Freitag (Markttag?) im absoluten Chaos vor. Da kaum Fahrzeuge die Grenze passieren - die Leute fahren
mit Bussen oder Colectivos bis ein paar hundert Meter vor die Grenze, laufen drüber oder lassen sich und ihr Gepäck mit Fahrradrikschas kutschieren und steigen ein paar hundert Meter nach der Grenze wieder in den nächsten Bus - waren sämtliche Straßen mit Marktständen vollgebaut. Hunderte von Rikschas und Handwagen und dazu hin- und herhetzende Menschenmassen machten das Chaos perfekt. Wir mussten schon ziemlich rabiat sein, um mit dem Auto überhaupt durchzukommen. (Und wieviel über diese Grenze geschmuggelt
wird, möchte man besser gar nicht wissen.)
Jetzt sind wir also in Puno, werden uns noch ein paar Tage am Titicacasee aufhalten, an dem wir uns einfach nicht sattsehen können, und machen uns dann auf in Richtung Cusco - mit einem kleinen Abstecher in den Colca-Canyon und vielleicht einer kleinen Viertageswanderung um den Auzangate zwischendurch..
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