Unser Aufenthalt in La Paz verlängerte sich mehr oder weniger unfreiwillig um einige Tage, nachdem uns eine Schlechtwetterperiode das Weiterreisen erstmal vermieste. In El Alto hatte es sogar einige Zentimeter geschneit, und an der Reaktion der Leute, die Schneemänner bauten und ausgelassen Schneeballschlacht machten, war zu sehen, dass Schneefall hier nicht so häufig vorzukommen scheint. Wir vertrieben
uns die Zeit trotzdem ganz gut, denn zum einen standen im Hotel Oberland mit uns mittlerweile noch fünf weitere Fahrzeuge (nebst Insassen aus Deutschland und der Schweiz), und so gab es natürlich immer genügend Gesprächsstoff. Und mit dem Projekt Stoffkauf und dem Nähenlassen einer zweiten Zeltbahn für unser Hubdach konnten wir uns auch ein paar Tage beschäftigen. Mit der zusätzlichen Schutzschicht hoffen wir, noch besser gegen die niedrigen Temperaturen gewappnet zu sein, die uns am Abend und nachts
immer mal wieder wahrhaft kalt erwischen.
Einer unserer Versuche, trotz des Wetters etwas von der Umgebung zu sehen, führte in den Palca-Canon. Die Entscheidung hierfür war ganz einfach: im Norden, wohin wir eigentlich wollten, waren heftige Wolken - im Süden kaum welche dann also in diese Richtung. Mit Blick auf den Illimani (wenn auch nicht ganz wolkenfrei) wanderten wir durch ein ausgetrocknetes
Flussbett, umgeben von hohen Sandsteinfelsen. Für eine Outdoor-Übernachtung war es uns aber doch zu kalt, außerdem war das Oberland ja noch in greifbarer Nähe.
Am 12. Juli machen wir uns dann aber endlich auf den Weg. Vom Mirador Templo Andino Jach'a Apacheta, einem für die Aymara heiligen Hügel, der oberhalb der Stadt auf dem Weg nach El Alto liegt, verabschieden wir uns angemessen von La Paz. Der Blick von hier oben ist wirklich der Wahnsinn, eine solche Stadt
haben wir noch nie gesehen. Jeder mögliche kleine Fleck ist bebaut, kaum ein Haus ist verputzt oder gestrichen, überall herrscht Gewusel von Taxis, Minibussen und Colectivos. Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb hat diese Stadt eine unglaubliche Atmosphäre. Wir wollen nach Chacaltaya nördlich von La Paz, ins mit 5000 Metern höchstgelegene Skigebiet der Welt. Durch El Alto kommen wir nur im Schritttempo - die Hauptstraße wird heute
über einen
ziemlich großen und gut besuchten Markt geführt. Obwohl wir am Morgen losgefahren waren, lassen wir die Stadt erst am frühen Nachmittaghinter uns. Mit Blick auf den 5400 Meter hohen Chacaltaya und den 6088 Meter hohen Huayna Ptosi spüren wir endlich echtes Andenflair. Die Straße nach Chacaltaya erweist sich als ziemlich steil und eng, und als auf ca. 4800 Meter auch noch Schnee auf der Erdpiste liegt,
wird uns das ganze zu heikel.
Mit unserem schweren Auto ist uns das Weiterfahren zu riskant. Da es schon gegen 15 Uhr war, kam leider auch Hochlaufen nicht mehr in Frage. Schade, aber das Skigebiet wird ohne unseren bewundernden Blick auskommen müssen..
Zum Übernachten wollten wir La Paz und El Alto doch einige Kilometer zurücklassen, etwas abseits der Straße zum Titicacasee stellten wir uns einfach in die Pampa. Am Morgen werden wir von vier Kindern aus dem nächstgelegenen Häuschen mit Argusaugen, aber in absolutem Schweigen, beobach-tet. Wir fahren noch ein Stück in das Tal von Tuni hinein, in dem wir übernachtet haben. Wir sind umgeben von
der Cordillera Real und ihren Fünf- und Sechstausendern, die Berge sehen phantastisch aus. Und trotzdem können wir uns nicht recht entschließen, hier einfach loszuwandern und ziehen erstmal die Richtung Titicacasee vor.
Die Entscheidung erweist sich als goldrichtig. Wie schon vor fünf Jahren zieht uns der See sofort in seinen Bann. Vor allem bei mir macht sich wieder echte Begeisterung breit. Das Blau in Kombination mit der kargen Hochebene und den nahen Andengipfeln ist einfach unfassbar. Und das Wissen, dass dieser See auf 3810 Meter Meereshöhe liegt, trägt natürlich zusätzlich zur Faszination bei. In Huatajata an der Laguna
Winaymarca, dem kleineren Teil des Titicacasee, gönnen wir uns zum Mittagessen mit Blick auf den See eine leckere Trucha (Forelle), auch wenn wir hier mit 3 Euro für ein üppiges Essen für bolivianische Verhältnisse einen absoluten Spitzenpreis zahlen müssen.. Auf der Strecke von hier bis nach Copacabana kommen wir kaum zum Fahren, an jeder Kurve bleiben wir stehen und staunen über den tiefblauen See und die schneebedeckten Berge dahinter.
Die wenigen hundert Meter zwischen San Pablo de Tiquina und San Pedro de Tiquina, die mit Fähren zurückgelegt werden müssen, bleiben uns zunächst verwehrt, denn ein überaus korrekter Angehöriger der Policia Nacional, Abteilung Zoll, bemerkt messerscharf das Fehlen eines Dokuments für unser Auto. (Bei der Einreise in San Matias hatten wir keinen Zoll gesehen später wares uns zu aufwändig, in einer größeren Stadt das eigentlich notwendige Einfuhrdokument nachträglich zu besorgen.) Nachdem wir uns eine Zeitlang dummgestellt hatten, nach einigem Hin- und Herdiskutieren und nachdem der nette Mann unser Fahrzeuginneres sehr genau begutachtet hatte, machte er uns ganz arglos den Vorschlag, eine "multa", eine Stra-fe, zu akzeptieren. Wir sollten doch bitte eine Summe vorschlagen. Das war nun also das erste Mal, dass wir leibhaftigmit Korruption
konfrontiert waren, wobei wir in dem Fall schlechte Karten hatten, denn das Dokument ist nun mal vorgeschrieben, und wir hatten es einfach aus Nachlässigkeit nicht.. Schlussendlich bezahlten wir 200 Bolivianos (rund 20 Euro), mit denen sich die Jungs wahrscheinlich einen netten Abend gemacht haben, und ärgerten uns fast ausschließlich über uns selbst.
Die gute Laune konnte uns diese Geschichte aber nicht lange verderben. Dann müssen wir die nächsten Tage eben noch ein bisschen sparsamer leben - das fällt in diesem Land ja nicht allzu schwer. Copacabana kannten wir schon von unserer früheren Reise, wir wollten hier nicht unbedingt in einem Hotel bleiben. Wir fuhren lieber die knapp 20 Kilometer bis nach Yampupata an der
Spitze der Halbinsel. Mit wunderbarem Blick auf den See und auf die Isla del Sol standen wir zwei Tage hoch oben an einem kleinen Feldweg, kaum jemand kam vorbei und schon gar niemand störte uns hier. Das Loslaufen war ganz einfach, wir wanderten einen Tag lang quer über die Berge, passierten ein stilles, kleines Dörfchen und landeten am Ende an einem wunderschönen Strand.
Am Sonntag schauten wir dann doch noch auf einen Sprung in Copacabana vorbei. Wie vor der katholischen Kathedrale von Priestern und "Kräuter-weiblein" Autos, Busse und Lkw gesegnet werden, mussten wir uns einfach nochmal anschauen. Wer sich hier mit Alkohol, der über den Fahrzeugen verspritzt, aber auch reichlich getrunken wird, und mit allerlei Weihrauch und Blumenschmuck den Segen abholt,
soll ein Jahr lang unfallfrei bleiben.
Nach unserem kleinen Abstecher an den Titicacasee kehrten wir wieder zurück in die nahen Berge. Wir wollten ja nun endlich wandern gehen!! Schon auf dem Weg nach Sorata, das auch schon mal als Trekkinghauptstadt Boliviens bezeichnet wird, kamen wir in einem Dorf in eine Tanzprobe, denn am 16. Juli feiert La Paz und die gesamte Provinz eine Art Nationalfeiertag. Kaum dass wir in Sorata angekommen
waren, startete auch schon die Parade aller mehr oder weniger wichtigen Menschen und Vereine des Ortes. Vornweg marschierten Bürgermeister und Pfarrer, später folgten Schulen, Kinder-gärten und Funkenmariechen (oder wie auch immer die hier korrekt heißen mögen). Das ganze Dorf war auf den Beinen, schaute und feierte.
Sorata liegt "nur" auf knapp 2800 Meter, gegenüber dem Hochland ist es hier schon fast tropisch Palmen auf der Plaza sind der beste Beweis für das milde Klima. In der Umgebung finden sich einige der schönsten Trekkingstrecken, auch wir kamen deshalb hierher. Nach einem "Orientierungstag" hatten wir uns auch schon entschieden: wir starten mit Zelt, Muli und viel Optimismus
auf eine sechstägige Tour um den 6368 Meter hohen Illampu.
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