Den Ausreisestempel hatten wir uns schon am Mittwoch in Caceres geholt, am Donnerstagmorgen machten wir uns auf unsere letzten 110 brasiliani-schen Kilometer, und am Mittag waren wir schon in Bolivien. Bis zu unserem ersten Ziel San Ignacio de Velasco lagen nun noch staubige und holperige 230 Pistenkilometer vor uns. Trotz der vielen Militärposten, an denen jedes Mal Fahrer und Auto registriert wurden, trotz
einiger Viehherden, die sich mit uns die Straße teilten, und trotz der Tatsache, dass wir eine Weile brauchten, bis wir bemerkten, dass wir nicht auf der Straße unterwegs sind, die wir eigentlich nehmen wollten, sondern etwas weiter nördlich (in unserer tollen Reise Know-how-Karte war die überhaupt nicht verzeichnet!!), schafften wir es bis zum Abend nach San Ignacio.
Von anderen Traveller-Homepages wussten wir, dass Mensch und Auto im Casa Suiza gut übernachten können. Dass zwei andere Fahrzeuge incl. Insassen am gleichen Tag das gleiche Ziel angesteuert hatten, kann schon gar nicht mehr Zufall genannt werden. Und so drängelten sich im kleinen Hof des Hostals drei Camper, und wir verbrachten zwei nette Abende und einen entspannten Tag mit Gudrun & Tobias, die seit 14
Monaten mit ihrem Defender Nord-, Mittel- und Südamerika bereisen und mit Liz & Colin, die sich nach etlichen Monaten in Afrika in den USA einen Camper gekauft hatten und damit in Mittel- und Südamerika unterwegs sind. Da die vier den letzten Monat in Bolivien verbracht haben und nun Brasilien ansteuern, konnten wir gut ein paar nützliche Infos austauschen. Und die Jungs mussten natürlich auch ein bisschen über die Autos, Ausstattung usw. fachsimpeln..
Das Bolivien, das wir in den letzten Tagen kennenlernten, unterscheidet sich doch ziemlich von dem, was wir auf unserer Reise 2002 antrafen. Ganz anders als im Altiplano sind hier auch im Winter/Trockenzeit die Temperaturen angenehm die Straßen verwandeln sich zwar wegen des fehlendes Regens in wahre Staubhöllen, sind dann aber - im Gegensatz zur Regenzeit - wenigstens
befahrbar. Die
Mentalität der Menschen erinnert uns noch an Brasilien als an die zurückhaltenden Bewohner im Hochland. Dass La Paz buchstäblich weit weg ist, beweisen auch die Autonomiebestrebungen der Regionen im Tiefland Boliviens. Sie sind zwar wohlhabender als die Provinzen im Westen des Landes; verglichen mit europäischen Maßstäben ist das Leben jedoch sehr viel einfacher. Pferde und Ochsenkarren sind ganz normale Transportmittel, eingekauft wird im Mercado oder an Straßenständen (von Supermärkten keine
Spur) und die meisten sind weit davon entfernt, eine Waschmaschine zu besitzen - und so dienen Flüsse, Teiche und manchmal auch dreckige Tümpel als Waschplatz.
San Ignacio war und ist das Zentrum der Jesuitenmissionen, hier stand bis 1974 auch die größte Kirche der Region, die aber abgerissen und neu aufgebaut wurde. Die Missionsdörfer wurden zwischen 1700 und 1750 im Norden Argentiniens und Süden Brasiliens, in Paraguay und Bolivien gegründet, hier lebten jeweils einige Tausend Guarani- bzw. Chiquito-Indianer mit einigen wenigen Jesuiten zusammen. Ihnen wurden landwirtschaftliche
und handwerkliche Kenntnisse vermittelt, die Missionen konnten autark bestehen und verwalteten sich selbst. Da die Indianer hier vor Sklavenjägern und Verschleppung sicher waren, siedelten sie sich nicht ungern in den Dörfern an; die Jesuiten akzeptierten zum Großteil auch ihre ursprüngliche Lebens-weise. Katholischen und weltlichen Machthabern war der Orden aber schon bald ein Dorn im Auge, 1767 wurde er in ganz Südamerika aufgelöst. Anders als in den anderen Regionen blieben die
Gemeinden in Bolivien erhalten. Von der
Unesco wurden
die
Missionssiedlungen zum Weltkulturerbe erklärt. So etwas konnte uns nach all der Natur in den letzten Wochen nicht schaden! Von San Ignacio begaben wir uns auf die Rundtour über Santa Ana, San Rafael und San Miguel und weiter nach Concepción und San Javier. Obwohl alle Kirchen in ähnlichem Stil gebaut und restauriert wurden, ist jede ein-zelne auf ihre Weise sehr schön. Auch das
Innere hebt sich wohltuend von all der überladenen Pracht ab, die uns sonst so oft in Kirchen und Kathedralen in Südamerika begegnete.
In Trinidad ließ uns der nette Nachtwächter eines eigentlich bereits geschlossenen Campingplatzes dort übernachten. Am Morgen war es ihm sehr unan-genehm, uns erklären zu müssen, dass wir aber bitte vor Ankunft des Besitzers wegfahren
sollten. Da uns mal wieder eine längere
Strecke bis zum nächsten Ziel, diesmal Rurrenabaque, bevorstand, konnte ein früher Aufbruch nicht schaden. Zunächst hatten wir drei Flüsse mit recht abenteuerlichen Fähren zu überqueren. Kleine Motorboote schleppen bzw. schieben dabei jeweils ein Ponton, auf dem ein paar Autos stehen können, über den Fluss. Dass auch eine Frau fährt, schien hier eher ungewöhnlich - dass ich beim Rauffahren auf Anhieb die Balken getroffen habe, entlockte dem Einweiser sogar
ein halbes Lächeln und einen hochgereckten Daumen..
Alle Flüsse der Beni-Region fließen letztlich in den Amazonas - und ein bisschen erinnerte die Atmosphäre auf und an den Flüssen auch an den Amazo-nas bzw. wie man sich diese Region vorstellt. Vor der ziemlich üblen Piste und dem furchtbar feinen Staub auf den nächsten paar hundert Kilometern waren wir bereits gewarnt worden, und als wir am späten Nachmittag auch noch einen Platten (den ersten auf unseren Südamerikareisen!) hatten,
beschlossen wir, den
Fahr-Tag lieber zu beenden. Bis zum Urwaldstädtchen Rurrenabaque blieben nun "nur" noch rund 150 Kilometer; diese allerdings auf der einzigen halbwegs befahrbaren Straße in die nördliche Beni-Region mit Schlamm, ausgefahrenen Spurrillen und entgegenkommenden Lkw, die nicht einsehen, warum sie die Mitte der Fahrbahn verlassen sollten. Links und rechts der Piste ist Dschungel, ab und zu stehen palmgedeckte Hütten am Straßenrand, Siedlungen gibt es nur sehr wenige. Für die knapp 100
Kilometer
von der "großen" Kreuzung in Yucumo bis Rurrenabaque benötigten wir fast drei Stunden, ziemlich erledigt kamen wir dort am Nachmittag an und quartierten uns im Selbstfahrer-Tipp Hotel Rurrenabaque ein, wo man mit dem Auto sehr schön im Garten stehen kann. Da nebenan eine Bar eröffnet wurde, ist der Platz jedoch nur noch zu empfehlen, wenn man bis nachts Queen, U2, Midnight Oil, Red Hot Chili Peppers usw. hören möchte. Wir können damit gut leben!
Nach einigem Überlegen entschieden wir uns dafür, eine Dschungeltour zu machen. Schließlich waren wir nicht zuletzt deshalb nach Rurre gekommen. Die Preise der (empfehlenswerten) Agenturen machten es uns aber nicht ganz leicht.. Am Donnerstagmorgen schien glücklicherweise wieder die Sonne; unsere Entscheidung schien also auch mit gutem Wetter belohnt zu werden. Mit Madidi Travel, deren Besitzerin
den hiesigen Nationalpark gegründet hat und bei denen sämtliche Einnahmen aus dem Tourismus in den Naturschutz investiert werden, ging es gut zwei Stunden auf dem Rio Beni strom-abwärts. Lodge und Cabanas stehen mitten im unberührten Dschungel, Strom gibt es nicht - aber die supernett eingerichteten Cabanas wirken mit Ker-zenlicht eh' viel besser. Nur durch Fliegengitter getrennt wohnt und schläft man inmitten der Dschungelgeräusche. So nah an all diesen fremdartigen Geräuschen zu sein, war
wirklich etwas Besonderes. Morgens turnten mit großem Gekreische Affenherden um die Hütten, und unser Nachbar wollte nachts sogar einen Ozelot gehört haben..
Mit Wanderungen, auf denen Oskar, unser einheimischer Guide, viel Interessantes über Flora und Fauna erzählte und gleichzeitig versuchte, so viele Tiere wie möglich für uns zu entdecken, und mit Kanutouren auf zwei wunderschönen Seen vertrieben wir uns die Zeit. Und mit
dem Piranha-Angeln am letzten
Tag konnten wir dann auch dieses Abenteuer endlich "abhaken"; wobei Jürgen und Oskar nicht schlecht schauten, dass ich sowohl den ersten als auch den größten gefangen habe! (Ja, ich hatte ein schlechtes Gewissen. Vegetarier und dann sowas..)
Auch wenn die Tour nicht zu den günstigsten zählte, haben wir es nicht bereut, das Geld ausgegeben zu haben. Wir hatten eine schöne Zeit in einer Landschaft, die wir so intensiv vorher noch nicht erlebt hatten. Und dass unser Geld mit dazu beiträgt, diesen faszinierenden Dschungel zu schützen,
ist ein gutes Gefühl.
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