Brasilien, letzter Akt
 

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Wenn man rund 500 Kilometer im Auto sitzt, hat man unter anderem auch viel Zeit, sich über die weiteren Ziele Gedanken zu machen. Und so entschlossen wir uns, nicht direkt nach Poconé, dem Ausgangspunkt für das nördliche Pantanal, zu fahren, sondern vorher noch im Nationalpark Chapada dos Guimaraes vorbeizuschauen. Die Landschaft entlang der Strecke von Bonito hierher kann getrost unspektakulär genannt werden; wir fuhren mal wieder vorbei an endlosen Rinderweiden und Maisfeldern, gefolgt von Zuckerrohrplantagen. Und zur Abwechslung kamen Baumwollfelder hinzu. Unsere Schlafplätze fanden wir zwei Mal abseits der Straße auf Zufahrtswegen zu Fazendas. Am Morgen wurden wir von den jeweiligen Besitzern freundlich begrüßt und ausgefragt (soweit das unsere kaum vorhandenen Portugiesischkenntnisse zuließen); keiner hatte ein Problem damit, dass wir vor seinem Haus übernachtet hatten - vor bedeutete dabei, dass das Haus in einem guten Kilometer Entfernung lag..

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Am Dienstagmittag erreichten wir Chapada, wo uns fast schon wüstenähnliches Klima empfing. Aber nach all dem Frieren in den vergangenen Wochen werden wir uns über kein einziges Grad beschweren und tapfer schwitzen!! Wir hatten gelesen, dass sich kurz vor dem Ort der geodätische Mittelpunkt Südamerikas befindet. Und ohne dies in dem Moment zu registrieren, hatten wir diesen Platz schon für unsere Mittagspause bei Nescafe und Keksen auserkoren. Direkt aus dem Tiefland des Pantanal steigt steile 900 Meter eine Hochebene auf, in der sich jede Menge Felsen, Canyons und Wasserfälle finden und die in grauer Vorzeit ein Meer gewesen sein soll. Wir verbrachten hier zwei wunderbare Tage, fuhren zur Cidade da Pedra, wo man ganz nah am Rand der zerklüfteten roten Felswände steht und viele hundert Meter senkrecht nach unten schielen kann, wanderten den Circuito dos Cachoeiras (Rundweg der Wasserfälle) ab und nahmen im einen oder anderen auch gleich ein erfrischendes Bad. Dass wir zum Übernachten direkt am Mirante Centro Geodesico stehenbleiben konnten, zu Füßen das Lichtermeer der Großstadt Cuiaba, machte das Glück perfekt.

Bei der Gelegenheit waren wir mal wieder sehr froh, dass wir mit unserem eigenen Auto reisen. Denn natürlich werden zu allen Punkten auch organi-sierte Touren angeboten. Aber im eigenen Tempo beim Fahren und Anhalten, beim Wandern, Schauen und Fotografieren unterwegs sein zu können, ist echter Luxus. Und da wir außerdem wohl nicht wirklich zur Hochsaison hier waren, hatten wir viele wunderschöne Plätze ganz für uns allein.

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Da unsere Lust auf Pantanal bei grauem Himmel sehr begrenzt war, legten wir am Samstag in Cuiaba einen Wartetag ein. Und am Sonntag hatten wir dann das entsprechende Wetter mit blauem Himmel, Sonnenschein und Hitze. Die letzten hundert Kilometer bis Pocone legten wir schon sehr gespannt zurück, denn wir hatten vom Tierparadies Pantanal und von der Transpantaneira viel gehört und gelesen. Die Transpantaneira führt  als einzige Straße ins nördliche Pantanal hinein, alle anderen Orte sind nur per Boot oder Kleinflugzeug zu erreichen. Nach knapp 150 Kilometern und mehr als 120 Brücken endet sie abrupt im Zwei-Häuser-Dorf Porto Jofre. Ursprünglich war geplant, die Erdpiste von Pocone im Norden nach Corumba im Süden des Pantanal, das die Hälfte der Fläche von Frankreich einnimmt, laufen zu lassen. Diese Idee wurde aber schon bald wieder aufgegeben, denn  die Tatsache, dass es sich beim Pantanal um das größte Überschwemmungsgebiet der Erde handelt, ist für den Straßenbau natürlich nicht unbedingt förderlich. Jedes Jahr steht das gesamte Gebiet für ca. sechs Monate nahezu komplett und bis zu drei Meter unter Wasser, die Tiere - egal ob Freund oder Feind - teilen sich dann die wenigen verbleibenden Inseln. Die Regenzeit dauert bis März/April, dann beginnt das Wasser langsam abzufließen.

Die ersten 20 Kilometer rissen uns noch nicht wirklich von den Toyota-Sitzen, aber dann ging es los: in jedem Tümpel links und rechts der Piste lagen Kaimane über Kaimane. Die meisten verbringen ihre Tage eher ruhig, sie liegen reglos am Ufer und lassen sich dabei auch nicht von anderem Getier wie Vögeln oder Wasserschweinen beeindrucken. Nur ab und zu blinzeln sie mit ihren merkwürdigen Augen, bewegen mal ein Hinterbein oder lassen sich gemächlich ins Wasser gleiten und schwimmen ein wenig. Das ist dann aber auch schon das Höchste an Aktivität, was wir beobachten konnten. Der Respekt vor Kaimanen an sich ließ uns anfangs kaum aus dem Auto aussteigen. Die im Pantanal anzutreffenden Exemplare sind aber - zumindest für den Menschen - eher harmlos; sie mochten es auch gar nicht, wenn man ihnen zu nah kam und machten eine Kehrtwendung ins Wasser. Die vielen ver- schiedenen Vögel, die überall und in großer Zahl zu sehen und vor allem zu hören waren, fanden wir ganz schön anzuschauen, Birdwatcher werden wir aber wohl nie.

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Die meisten Touristen kommen mit organisierten Touren hierher, entsprechend hoch fallen die Preise aus. Fürs Campen zahlten wir hier schon mal locker 20 Euro - ein Vielfaches von dem, was wir bisher gewohnt waren. Am Montag fuhren wir bis ans Ende der Transpantaneira nach Porto Jofre, das eigentlich noch nicht mal als Dorf bezeichnet werden kann - eine Landebahn, ein überdimensionales Hotel und drei Fischerhütten. Ca. zwischen Kilometer 40 und 110 erschien uns die Landschaft oft gar nicht anders, als wir sie in den letzten Wochen kennengelernt hatten: viele Grasweiden und noch mehr Zäune rundherum. Aber dann kreuzten die ersten Wasserschweine unseren Weg, und wir waren begeistert. Sie sind die größten Nagetiere der Welt, ein wenig erinnern sie an zu groß geratene Meerschweinchen. Die ersten entdeckten wir am Ufer eines Tümpels - einträchtig lagen sie neben Kaimanen. Und als die Wasserschweinmama mit ihren drei Kleinen schwimmen gehen wollte, wurde der Kaiman kurzerhand beiseite gedrängt. Später sahen wir an allen Ecken und Enden Wasserschweine, teilweise lagen sie sogar auf der Straße im Schatten. Trotz zweier weiterer Tage, einem längeren Spaziergang durchs Gebüsch am frühen Morgen und einer Bootsfahrt bekamen wir nicht mehr viele andere Tiere zu Gesicht. Tapire, Ameisenbären, Ozelots und sogar Leoparden, die es hier noch gibt, zeigten sich uns leider nicht. Aber wir waren nun mal in freier Natur und nicht im Zoo unterwegs..

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In zwei netten Pousadas machten wir es uns auch mal ein bisschen am Pool gemütlich - sozusagen Urlaub vom Urlaub. Nach vier schönen Tagen waren wir einen winzigen Hauch enttäuscht, nicht noch ein paar Tiere mehr gesehen zu haben - obwohl so viele Kaimane auf einmal und aus solcher Nähe schon etwas Besonderes sind. Und auch dass die Transpantaneira von vielen  Reisenden und  Berichten als eine DER Abenteuerpisten bezeichnet wird, entspricht - zumindest nach unseren Erfahrungen in der Trockenzeit - nicht ganz den Tatsachen. Wir sind trotzdem froh, die vielen Kilometer nicht ge-scheut und diesen Teil Brasiliens kennengelernt zu haben.

Nach fast drei Wochen werden wir nun dieses riesige Land, von dem wir nur einen kleinen Teil gesehen haben und das uns supergut gefallen hat, verlassen und uns nach Bolivien aufmachen. Uns sind nette und aufgeschlossene Menschen begegnet, überall trafen wir auf Hilfsbereitschaft und Interesse, woher wir kommen und was wir hier tun. Man hatte immer das Gefühl, dass sich die Brasilianer freuen, dass man ihr Land besucht. Und da es hier noch so immens viel zu sehen gäbe, kann es gut sein, dass wir wiederkommen!

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