Montenegro, die zweite

 

 

 
 
HomeReiseberichteÜber & An unsFahrzeugeRandnotizen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei der Planung unserer Balkantour stand neben Albanien immer auch Montenegro für einen längeren Aufenthalt auf dem Programm - entsprechend enttäuscht waren wir, dass unser erster Besuch wegen des Wetters nur so kurz ausfiel. Aber schon der Auftakt zum zweiten Versuch ist vielversprechend: Im Kosovo regnet es fast bis zur Grenze in Strömen; die Serpentinen des steilen Passes können wir teilweise nur im Schritttempo befahren - unsere Reifen und der hiesige Straßenbelag sind keine Freunde. Oben angekommen hat zumindest der Regen aufgehört, und im ersten größeren Ort auf montenegrinischer Seite, Rozaje, scheint schon fast die Sonne. So kommen wir auf die Idee, noch am Nachmittag den Hajla zu besteigen - der zweite Berg neben dem Gjeravica, den wir auf unserer 'Peaks of the Balkan'-Tour ausgelassen hatten, weil er in Wolken war. Wir fahren bis zum kleinen Dort Badzov unterhalb des Hajla-Gebirgszuges, von dort soll der Aufstieg in zwei Stunden zu schaffen sein. Wir starten gegen 15 Uhr, kurz vor 19 Uhr sind wir wieder zurück, und zwischendurch hatten wir eine knackige, sehr schöne Wanderung mit tollen Aussichten vom Gipfel. Von oben schauen wir direkt auf den Weg, den wir vor einigen Wochen gegangen sind.

Dass wir mit der Entscheidung zum Speedhiking auf den Hajla absolut richtig lagen, erweist sich am nächsten Morgen: die Wolken hängen auf Höhe der Baumwipfel. Da die Wettervorhersage für die Mrtvica-Schlucht um einiges besser ist als für die Berge, fahren wir direkt dorthin, auch wenn das bedeutet, dass wir danach nochmal zurück ins Gebiet um Kolasin "müssen", weil wir dort auf jeden Fall wandern wollen. Weil die Entfernungen im kleinen Montenegro kaum der Rede wert sind, ist das kein Problem. Auch wenn wir mittlerweile schon etliche Schluchten gesehen haben, bedauern wir nicht, zur Mrtvica-Schlucht gefahren zu sein - schon allein unser Stellplatz war es wert. Und schön warm ist es hier auch, wir befinden uns gut 1000 m tiefer als bei der letzten (kalten) Übernachtung. Einen Tag durchwandern wir die Schlucht, nach ungefähr 10 km machen wir in Velje Duboko kehrt, hin und zurück waren wir (mit Pilzsuche, Blümchen bestaunen und kaltem Abschlussbad) gut sieben Stunden unterwegs.

Den vielen Pilzen am Wegrand können wir nicht widerstehen; dank Internet-Recherche sind wir auch sicher, dass sie essbar sind. Abends gibt es also Rotfußröhrlinge.

Das schlechte Wetter sollte nun auch aus den Bergen abgezogen sein, also gehts wieder nach Kolasin. Vom Skigebiet oberhalb des Ortes wandern wir auf die Crna Glava (2134 m). Die Landschaft ist nicht spektakulär, aber trotzdem wunderschön - sanft gewellte, grüne Almwiesen, ganze Hänge voller Heidelbeeren und dazwischen der eine oder andere Berg. Hier oben scheint die Sonne, unten im Tal hängen fast den ganzen Tag über Wolken, was hübsch aussieht und uns zum Glück egal sein kann. Während unserer Wanderung waren wir an einem Hügel vorbeigekommen, der bei uns beiden den Gedanke 'Was für ein Stellplatz!' auslöste. Wir lassen uns auch nicht davon abschrecken, dass der Platz über 1900 m hoch liegt; ziehen wir uns eben warm an. Der Sonnenuntergang ist vom feinsten, die Nacht wird gar nicht so schlimm kalt, und die Aussicht morgens auf die Nebelfelder im Tal ist einfach nur schön. Unfassbar, wie oft wir auf dieser Reise schon solche Traum-Stellplätze hatten.

Auf einer tollen Piste fahren wir "hintenrum" (oder besser obenrum) zum Biogradsko jezero mit einem der letzten Urwälder Europas. In einer Stunde ist der kleine See zu Fuß umrundet.

Durch die Tara-Schlucht kommen wir ins Durmitor-Gebirge, und nach längerem gehen wir in Razvrsje mal wieder auf einen Campingplatz (u.a. weil es hier lt. Reiseführer sensationellen Birnen-Raki geben soll). Unsere Wanderidee befindet der Campingplatz-Besitzer als nicht gut, er empfiehlt uns stattdessen, mit dem Sessellift auf den Savin kuk zu fahren - von dort sind wie an der Perlenschnur aufgereiht drei weitere Aussichtsgipfel (alle über 2400 m) zu erlaufen. Auch wenn uns das mit dem Lift irgendwie widerstrebt, die Aussicht auf eine echte Panoramawanderung überzeugt uns. Die Turnschuh-Fraktion, die den Savin kuk dank des bequemen "Aufstiegs" bevölkert, lassen wir bald hinter uns. Schon allein die etwas knifflige Kletterstelle unterhalb des Istocni vrh verhindert, dass Ungeübte weitergehen. Wir laufen entlang des Grates über den Vrh Sljemena bis zum Milosev tok, die Blicke sind in alle Richtungen grandios. Unten liegen die Hochebene von Zabljak und der Crno jezero, oben haben wir etliche der 48 Gipfel mit über 2000 m Höhe vor uns, die es in diesem relativ kleinen Gebirge gibt. Für den Abstieg nutzen wir natürlich nicht den Lift, sondern suchen uns eine schöne Route über das Lokvice-Tal. So wird unser Wandertag ziemlich lang, nach neun Stunden liegen 25 km und 1800 Hm hinter uns. Zum Abschluss gönnen wir uns ein kühles Getränk im schön gelegenen Restaurant am Crno jezero. Zum Schwarzen See, der entgegen seines Namens teilweise unwirklich blau ist, laufen wir am nächsten Vormittag nochmal, um ihn im Sonnenlicht zu sehen. Der See und im Hintergrund die Berge sind ein einmaliges Panorama.

Ausbeute unseres Spaziergangs zum Crno jezero (trotz starker Konkurrenz durch einheimische Pilzsammler)

Nachdem wir auf unserer Wanderung die östliche Region vom Durmitor gesehen haben, machen wir keine zweite Tour in der Gegend, sondern wollen die anderen Teile sehen. Die beste Gelegenheit dafür bietet der Durmitor-Ring, der auf 80 km um das gesamte Gebirgsmassiv führt. Die Bezeichnung "Jeep-Safari", die der Reiseführer dafür wählt, ist mehr als irreführend - die asphaltierte Strecke ist mit jedem Auto machbar! Auf den ersten Kilometern hinter Zabljak fragen wir uns noch, was an der Straße so toll sein soll, denn es geht quer durch Tannenwald. Doch auf dem Weg nach Crna Gora erschließt sich dann der Begriff 'Panorama-Straße'. (Wobei uns die vielen Himbeerbüsche am Straßenrand kaum vorwärts kommen lassen.)

Adlerauge Jürgen entdeckt weit unten eine Fahrspur durch die Wiesen, die fast am Schluchtrand endet. Ohne Probleme finden wir den Abzweig, und aus dem geplanten Abstecher wird eine Übernachtung. An diesem Platz müssen wir einfach stehenbleiben, auch wenn der Tag noch relativ jung ist. Immer wieder laufen wir den Hügel hoch, stehen oder sitzen am Abgrund und genießen einfach nur den Blick in die Tiefe. Und trotz des frischen Winds stellen wir auch unseren Tisch beim Abendessen hier oben auf. Was für ein Panorama, mal wieder!

Am nächsten Vormittag reißen wir uns von diesem besonderen Platz los und setzen die Fahrt auf der Ringstraße fort. Denn der Wetterbericht ist nur noch für diesen Tag gut, danach soll es regnen und kalt werden, also "müssen" wir weiter. Über das kleine Dorf Crna Gora, vorbei am Susica-Canon fahren wir bis kurz vor den Sedlo-Pass. Eigentlich hätten wir ja gern von hier aus den Bobotov kuk bestiegen, aber es ist schon Mittag und wir denken (noch), dass die Zeit für diese Tour nicht mehr ausreicht. Aber zumindest ein paar Stunden wollen wir in dieser Bergwelt laufen. Nachdem wir für den ersten Aufstieg, für den Wanderführer und Hinweisschilder mehr als zwei Stunden veranschlagen, nur eine gebraucht haben, werden wir mutig und wagen den Gipfelaufstieg doch noch. In unter einer Stunde nehmen wir die letzten 500 Höhenmeter; das viele Berggehen zahlt sich aus. Oben ist es ordentlich kalt, dafür ist die Aussicht gigantisch. Wir stehen quasi gegenüber vom Aussichtsgipfel von vorgestern, haben aber vom höchsten Berg im Durmitor (2523 m) auch noch freien Blick in westliche Richtung. Unser Speedhiking-Aufstieg hat sich definitiv gelohnt; und nebenbei sind wir auch ein wenig stolz auf uns. Mittlerweile sind wir wirklich gut darin, Entfernungen, Höhenmeter und entsprechend unsere Gehzeiten einzuschätzen, wir verlassen uns nicht mehr auf Zeitangaben in Wanderführern oder auf

Nach einer weiteren Wanderung steht uns der Sinn jetzt nicht mehr, zum Abschluss unserer Durmitor-Woche fahren wir stattdessen hinunter an die Tara. Wir haben in den letzten Tagen so oft in die Schlucht geschaut, dass wir das türkisfarbene Wasser jetzt auch aus der Nähe sehen wollen. Vorher machen wir noch Halt am Aussichtspunkt auf dem Curevac mit phantastischem Blick hinunter zur Tara. Fast eine Stunde brauchen wir dann für die Piste, die sich von 1500 m auf 580 m hinunterwindet.  

Mit dem Segen des Nationalpark-Rangers (und für 5 €) dürfen wir ganz legal direkt am Flussufer campen.

Und das war es dann schon (für dieses Mal) mit Montenegro. Die Bergwelt dieses kleinen Landes hat uns sehr sehr gut gefallen - wer gern wandert, ist hier definitiv richtig. Dass das Wetter mitgespielt hat und dass wir so einfach wieder wunderschöne Stellplätze gefunden haben, versöhnt uns restlos, nachdem wir vom ersten Besuch in Montenegro doch recht enttäuscht waren. Wären die Abende nicht schon lausig kalt (wir sind hier fast immer weit über 1000 m), würden wir wohl auch noch länger bleiben. Jetzt lockt die Vorstellung von Sonne und Meer in Kroatien, und außerdem muss es ja langsam weiter Richtung Norden gehen, wenn wir die Julischen Alpen noch ohne Schnee erleben wollen.

 

ZurückNach obenWeiter

 

Copyright (c) 2018 Jürgen & Yves. Alle Rechte vorbehalten.

yvesjuergen@andencruiser.de