Drei Wochen, sechs Länder

 

 
 
 
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Dienstag, 19. Juni: Nach Wochen der Vorbereitung, nach gefühlt zehntausend Stufen zwischen Dachgeschoss, Keller und dem Auto vor der Tür sind wir endlich so weit, alles ist gekauft und verpackt, was mit soll, alle Abschiede in Frankfurt sind gefeiert, nun kann die erste Etappe unserer Balkantour starten. Wir wenden uns aber zunächst nach Osten statt nach Süden; unsere ersten Tage unterwegs sind noch keine echten Reisetage, sondern noch einmal Abschiedstage, diesmal von der Familie im Vogtland. Nach drei Tagen ziehen wir dann aber endgültig los. Ohne Probleme kommen wir am ersten Fahrtag bis nach Villach, wo wir uns in einer etwas dubiosen Kneipe das zweite WM-Spiel der Deutschen anschauen (incl. geschenktem Mitleids-Schnaps beim 0:1 der Schweden und weiteren Beruhigungs- und Freudenschnäpsen nach dem 1:1 und 2:1). Deutlich angeheitert beziehen wir unser erstes Nachtlager an der Dau - ein toller Platz, den uns zwei nette Einheimische empfohlen haben. Wir wollen bis Montenegro zwar zügig durchfahren, für eine kleine Wanderung in der Nähe von Krjanska Gora kurz nach der slowenischen Grenze ist aber genügend Zeit. Wir haben uns fest vorgenommen, uns nicht zu hetzen. Auf den Aussichtsberg Slemenova Spica und wieder retour zum Auto sind wir gute drei Stunden unterwegs, eine nette kleine Wanderung. Slowenien ist schnell durchquert, am Nachmittag stehen wir bei Metlika schon an der Grenze zu Kroatien. Wegen der teuren Autobahnmaut fahren wir nur Landstraßen, was bis in die Gegend um die Plitvicer Seen ein mühsames Unterfangen ist. Danach geht es deutlich entspannter und schneller voran, am frühen Abend finden wir auf einer Hochebene bei Vrlika einen schönen Stellplatz. Am Sonntagmorgen sind wir früh unterwegs, und nach einer Pause mit Schwimmen und spätem Frühstück am Perucko Jezero steht mit Bosnien-Herzegowina schon das nächste Land an.

Bei Imotski überqueren wir ohne Probleme die Grenze; mit deutschem Ausweis bzw. Reisepass ist das Reisen doch sehr angenehm. Neben dem Umstand, dass die Fahrt über Bosnien die kürzeste Variante ist, interessiert uns vor allem Mostar. Wir wissen, dass die Stadt mittlerweile von Heerscharen von Touristen besucht wird, wir wollen sie trotzdem nicht auslassen. Das Bild der Brücke Stari Most, die während des Krieges am 9.11.1992 zerstört und Jahre später wieder aufgebaut wurde, kennt man. Die Stadt zu sehen, mit Ruinen, zerschossenen Häusern, die dennoch bewohnt sind, daneben wieder aufgebaute und hübsch hergerichtete Häuser, teilweise schon kleine Paläste, ist bizarr. Wirklich hart ist ein Friedhof mitten in der Stadt mit Todesdaten ausschließlich aus dem Jahr 1992, viele davon in unserem Alter.

Nach einer Nacht verlassen wir Bosnien schon wieder, es fällt uns nicht schwer, denn es regnet und der Himmel hängt tief. Die Einreise nach Montenegro ist schnell erledigt. Da im Landesinnern, wo wir eigentlich hinwollen, außer Wolken nichts zu erwarten ist, schlagen wir die Richtung nach Kotor ein. Die dortige Bucht ist zwar ebenfalls ein echter Touri-Hotspot (wozu vor allem Riesen-Kreuzfahrtschiffe beitragen), aber auch hier wollen wir uns davon nicht abschrecken lassen. Etwas enttäuscht sind wir natürlich, dass wir an diesem tollen Ort offenbar keinen blauen Himmel verdient haben. Wir schlendern durch Perast, mit tollen alten Häusern, die wunderschön wieder hergerichtet sind. Kotor selbst lassen wir zunächst links liegen, die Menschenmenge am Stadttor schreckt uns heute zu sehr ab. An einem alten (österreichischen) Militärfort oberhalb der Bucht finden wir einen super Stellplatz. Wir sind echt erstaunt, wie einfach wir trotz der bevölkerten Gegend einen freien und noch dazu schönen und ruhigen Stellplatz gefunden haben. Kotors toll restaurierte Altstadt mit herrschaftlichen Häusern, Palästen und Kirchen, die teilweise aus dem 12. Jahrhundert datieren, durchstreifen wir am nächsten Tag, zum Glück ist deutlich weniger los als am Vortag. Am Nachmittag verfolgen wir in einer Kneipe das klägliche Ausscheiden der Deutschen bei der WM. Wir trösten uns (neben der Tatsache, dass es absolut verdient war) damit, dass wir nun nicht mehr groß nach dem Spielplan schauen und uns Übertragungs-Möglichkeiten suchen müssen. Als Entschädigung fahren wir auf den Aussichtsberg Sveti Ilija mit toller Rundumsicht, dramatischen Wolken und Sturm. Am nächsten Morgen sieht das Wetter ganz passabel aus, wir wollen von Njegusi aus zum Jezerski Vrh wandern. Im Lauf des Tages trübt es wieder ein, sogar die Regenjacken müssen ausgepackt werden. Die Sicht oben ist mau, wir machen trotzdem das Beste aus dem Tag und laufen in einem großen Bogen über schöne Wiesen (mit Walderdbeeren ohne Ende) zurück zum Auto.

Die Lokalität ist um Längen besser als das WM-Spiel, das wir hier verfolgen..

Tolle Ausblicke auf der Serpentinenstraße von Kotor nach Njegusi.

Wir sind im Beeren-Himmel!

Irgendwann reicht es uns dann aber doch mit dem trüben Wetter (zumal noch Regen hinzukommt). Da die Aussichten für das Landesinnere, sprich die Bergregion bei Plav, in die wir eigentlich wollen, nach wie vor schlecht sind, entscheiden wir uns zu einer Planänderung und fahren jetzt schon weiter nach Albanien. In der Gegend um Shkoder treffen wir auf besseres Wetter, einen schönen See und einen guten Campingplatz (Lake Shkodra Resort). Dort legen wir einen Ruhetag ein und genießen die Sonne. (Die Preise im Restaurant sind unglaublich: 0,5 l Bier für 1,40 €, 0,5 l Wein für 3,50 € und die Pizza 3-4 €..) Bei der Fahrt ins Vermosh-Tal wollen wir das Wetter in den Bergen wieder testen. Dass die Strecke keine Offroad-Piste mehr ist, stört uns nicht, auch mit bzw. auf Asphalt bleibt die Landschaft toll. Der (Offroad)Abstecher ins Seitental nach Vukel und Nikc bringt uns eine Pistenfahrt, die uns schon fast an Südamerika erinnert: auf der einen Seite gehts Hundert Meter in die Tiefe, auf der anderen sind Hunderte Meter hohe Felsen. Im als schön beschriebenen Dorf Lepushe finden wir leider keinen freien Stellplatz, außerdem beginnt es zu regnen. Wir kehren um Richtung Shkoder - die Berge machen im Moment keinen Sinn und vor allem keinen Spaß.

Zurück in Shkoder, einer Stadt mit viel Leben, hektischem Verkehr und einer schönen Innenstadt, müssen wir uns um ein kleines Problem am Auto kümmern: seit einigen Tagen tropft irgendwoher Diesel, Verdacht: defekter Verbindungsschlauch zwischen den beiden Tanks. Erste Flickversuche mit grauem Klebeband haben nichts gebracht, also suchen wir nach einer kurzen Stadtbesichtigung eine Werkstatt. Man kann uns helfen, und eine gute Arbeitsstunde später dürfen wir für die Reparatur nichts zahlen - wir sind sprachlos.

So fahren wir frohen Mutes Richtung Koman, wo wir am nächsten Tag die berühmte Fähre auf der Drin nach Fierze nehmen wollen. Den Versuch, die Zufahrt nördlich des Flusses zu erreichen, müssen wir abbrechen. Obwohl auf der Karte eingezeichnet, wird die Piste für uns irgendwann zu schmal. Also nehmen wir die südlich verlaufende Zufahrt über die SH25 ab Vau i Dejes, die trotz übler Straße klasse ist. Unser Stellplatz direkt am aufgestauten Fluss ist wieder ein besonders schöner; Schwimmen ist allerdings eine Herausforderung, das Wasser hat vielleicht 10 Grad. Für normale Autos fährt im Moment nur eine Fähre pro Tag, 9 Uhr geht es von Fierze nach Koman, 12 Uhr retour. Wir stehen überpünktlich am Schlagbaum vorm "Hafen", ein halbwegs offiziell aussehender Mann erklärt uns das Prozedere. Für stolze 70 Euro kaufen wir ein Ticket für uns und das Auto, die Fähre ist nicht mal halb voll. Die nächsten zwei Stunden fühlen wir uns nach Norwegen versetzt: Wir tuckern durch die Schlucht, die der Drin hier gegraben hat, die Felswände sind teilweise bis zu 600 Meter hoch. Hinter jeder Kurve wartet der nächste tolle Blick. Wir passieren kleinste Dörfer und bewirtschaftete Felder - kaum vorstellbar, wie das Leben so abgeschieden, weil nur über den Fluss zugänglich, hier ist.

Nach Fierze fahren wir weiter entlang des (aufgestauten) Drin, die Straße verläuft gut 500 Meter oberhalb des Flusses, so dass wir die Hoffnung auf einen Stellplatz am Wasser fast aufgegeben haben, als wir beim kleinen Dorf Dardhe doch noch eine Zufahrt finden. Wieder ein Traum-Stellplatz! Und diesmal sogar mit angeschlossenem Schwimmbad mit sehr angenehmen Temperaturen. Dass wir in Albanien so viel und in so wunderschönen Seen und Flüssen würden schwimmen können, hatten wir nicht im Traum erwartet!

Über Straßen mit ca. einer Million Kurven fahren wir bis Kukes, unterwegs bemerken wir, dass wieder Diesel tropft. Also wieder eine Werkstatt gesucht, diesmal wird der komplette Schlauch getauscht, und wieder dürfen wir nichts bezahlen. Wir sollen zum Ausgleich dafür stimmen, dass Albanien in die EU aufgenommen wird. Bei Myc Has entdecken wir mehr durch Zufall die Echsenkopf genannte schmale Landzunge, und letztendlich finden wir auch wieder einen guten Platz knapp oberhalb vom Wasser, so dass wir zu unserer morgendlichen Schwimmeinheit kommen.

Vom nochmaligen Stopp in Kukes bleiben vor allem die Bilder einer interessanten Einkaufsstraße.

Auf der toll gelegenen SH31 fahren wir entlang des Schwarzen Drin Richtung Süden. Die Piste, die bis vor einigen Jahren die Hauptverkehrsverbindung war, führt in viel Auf und Ab und über lange Kehren in den tief eingeschnittenen Seitentälern mehrmals hinunter zum Fluss. Dank des Tips in unserem Offroadführer laufen wir die halbe Stunde zum Aussichtspunkt in die Schlucht bei Scavice, die von der Straße aus nicht einsehbar ist. Ein sehr beeindruckender Blick in die Tiefe. Die Landschaft begeistert uns total, die Orte und die angelegten Felder und auch die friedliche Stimmung erinnern uns irgendwie an Nepal. Selbst die verfallenen Bunker, die man immer wieder sieht, stören den Eindruck nicht. In Zall-Rec übernachten wir (mit Familienanschluss) direkt am Fluss: zwei sehr neugierige und sehr höfliche Jungs wollen uns gar nicht mehr verlassen. Ihr Englisch ist leider extrem rudimentär, unser Albanisch nicht vorhanden, viel Verständigung geht also nicht - doch ihre Begeisterung für unser Auto und für Reiseführer und Landkarte braucht keine Worte.

Über Arras erreichen wir dann auf einer neuen Asphaltstraße schnell Peshkopi, wieder eine nette kleine albanische Stadt. Kurvenreich und auf einer Hauptverkehrsstraße mit klaftertiefen Schlaglöchern fahren wir nach Radomire, von hier wollen wir den Mount Korab besteigen. Doch daraus wird leider nichts, der 2764 m hohe Berg, den sich Albanien mit Mazedonien teilt, ist komplett in Wolken. Sehr schade. Also doch weiter fahren, die Piste von Peshkopi nach Burrel klingt im Offroadführer ganz gut, ist aber deutlich schlechter als die vorige und die Landschaft bei weitem nicht so beeindruckend.

Um in Ruhe zu überlegen, wie wir angesichts der meist bewölkten Berge weiterreisen und vor allem, wie wir mit der geplanten 14-Tage-Wanderung umgehen wollen, fahren wir Richtung Meer, wo das Wetter gut ist. Die Anreise zum Kap Rodon ist zwar mühsam, lohnt sich aber. Wir stehen allein oberhalb vom Strand, vor uns nur das Meer. Wir laufen zum Kap, schauen uns die uralte kleine Kirche direkt neben dem sogenannten Bunker-Beach und die Reste einer Festung aus dem Mittelalter an, pflücken Brombeeren und machen einen langen Spaziergang, vorbei an Sonnenblumenfeldern, zurück zum Auto. Sehr schön.

Der Strand ist - wie viele andere Orte in den letzten Tagen - extrem vermüllt; diese unangenehme Seite von Albanien können (und wollen) wir nicht ignorieren und erst recht nicht verstehen.

Albanien macht uns - außer mit kleinen Abstrichen beim Wetter - das Reisen auf unsere Art einfach. Die Menschen sind freundlich, meistens interessiert, woher wir kommen (und wenn nicht, dann nicht auf unfreundliche Art desinteressiert), auf dem Land wird uns überall zugewunken. Bisher haben wir uns immer sicher gefühlt, abgesehen vielleicht von der Gefahr durch Kamikaze-Autofahrer, von denen es hier einige gibt. Lebensmittel, Obst und Gemüse bekommt man überall, letzteres immer frisch und superpreiswert; außer dem hohen Dieselpreis (ca. 1,35 €) ist man in Albanien sehr günstig unterwegs. Die Entfernungen sind moderat; wer will, kann ausgiebig auf Pisten unterwegs sein, und die Möglichkeiten, frei zu campen, sind einfach zu finden und (fast immer) traumhaft. Wir haben also wieder ein tolles (neues) Reiseland gefunden.

Trotz Wetteraussichten, die weniger stabil sind als erhofft, haben wir uns entschlossen, den Peaks of the Balkans zu starten. Die Genehmigung der Polizei der drei durchwanderten Länder haben wir, wenn auch mit nicht mehr ganz korrektem Datum des Grenzübertritts. Die Rucksäcke sind probegepackt; wenn wir uns bei der Kleidung einschränken, können wir Zelt etc. mitnehmen. Wir wagen es jetzt einfach - also auf nach Theth!

 

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