Provence & Seealpen 2017
 
 

 
 
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Für unseren obligatorischen Camperurlaub im Juni brauchte es ein Ziel, an dem die Aussicht auf Wandern bei gutem Wetter besteht, das nicht allzu weit entfernt liegt und das Chancen auf schöne freie Stellplätze bietet. Fast aus Verlegenheit kamen wir auf Provence und Seealpen; dass wir damit goldrichtig lagen, wissen wir nach zwei Wochen mit einem Dutzend herrlicher Wanderungen, ohne Regen (außer auf der Hinfahrt) und genau einer Übernachtung auf einem Campingplatz. Die Rechnung, die wir seit 1997 mit der Provence - was das Wetter anbelangt - offen haben, ist beglichen!

An einem langen Fahrtag, an dem wir in Frankreich wie immer auf teure Maut-Autobahnen verzichten, kommen wir bis zum Lac de Paladru. Schon am zweiten Tag erreichen wir nachmittags die Provence und finden einen wunderbaren Stellplatz mit Aussicht auf den Mont Ventoux. Wir sind umgeben von Ginster und Lavendelfeldern kurz vor der Blüte, entsprechend berauschend ist der Duft um uns herum. Die erste Wanderung führt uns nahe Sault in die Gorges de la Nesque  - nichts Weltbewegendes, für den Anfang aber ok. Vom Gipfel des Mont Ventoux wollen wir eigentlich unsere zweite Wanderung starten, aber der Sturm und die Temperaturen dort oben sind uns zu garstig, um durch Geröllfelder zu stapfen und nur Aussicht auf vorbeiziehende Wolkenfetzen zu haben. Also fahren wir retour Richtung Sault, dort herrschen wieder Sonnenschein und angenehme Temperaturen.

Am Gorges de Verdon waren wir schon beim ersten Provence-Urlaub, damals sind wir aber keinen Meter gewandert - aus heutiger Sicht unvorstellbar und unbedingt zu korrigieren. Nach einem Spaziergang durch Moustiers werfen wir einen kurzen Blick auf die örtlichen Campingplätze, wollen aber zumindest versuchen, irgendwo frei zu stehen. Vom kleinen Sträßchen nach Sainte-Croix-du-Verdon biegen wir rechts aufs freie Feld ab, und wäre nicht der heftige Wind hätten wir nach einer Minute einen guten Platz gefunden. Heute braucht es Windschutz, also suchen wir noch ein bisschen weiter. Der Balkonplatz, den wir schließlich finden, ist unfassbar.

Mit dem Sentier Martel haben wir uns den Klassiker unter den Wanderungen im Canyon du Verdon vorgenommen. Die ist als Oneway-Strecke gedacht, da wir aber weder ein zweites Auto haben, um es am Endpunkt zu parken, noch uns auf Taxi oder Autostop verlassen wollen, werden wir die Strecke hin und zurück gehen, womit uns ein gewaltiger Marsch bevorsteht.

Allein die Strecke zum Startpunkt am Chalet de la Maline wäre den Ausflug wert; entsprechend spät sind wir dran. Nun denn, wir wissen mittlerweile recht gut, wie weit und mit welchem Tempo wir gehen können, und jetzt im Juni brauchen wir uns auch vor früher Dunkelheit nicht zu fürchten. Vom Chalet de la Maline führt der Weg fast 400 Meter in die Schlucht hinunter, folgt dann in stetem Bergauf und Bergab dem Flusslauf und bietet immer wieder tolle Ausblicke auf den Verdon und die steilen Felswände. Der Aufstieg zur Treppe Breche Imbert ist knackig, auf der anderen Seite geht es über 200 steile Eisenstufen wieder runter in die Schlucht. (Dass uns das später in umgekehrter Reihenfolge nochmals bevorsteht, blenden wir aus.) Noch weiter geht es am Verdon entlang, die Schlucht verengt sich zum Couloir Samson. Von den beiden stockfinsteren Tunneln vor dem Aufstieg nehmen wir nur noch den ersten mit, dann kehren wir um. Die elf Kilometer, die es bis hier waren, wollen ja zurückgelaufen werden. Nach dem Steptraining an der Breche Imbert gönnen wir uns eine Pause an einer der Badestellen, die wir auf dem Hinweg noch ignoriert hatten. Dann ist strammes Gehen angesagt, uns stehen noch etliche Kilometer bevor; krönender Abschluss sind die 400 Meter Aufstieg nach La Maline. Dort kehren wir k.o. und sehr zufrieden für ein Abschlussgetränk ein. 

Unseren Übernachtungsplatz beziehen wir in einer Parkbucht mit freier Sicht in die Schlucht - genial. Bis zum nächsten Morgen 8.30 Uhr hat es null Verkehr, und es stört keinen Mensch, dass wir hier direkt neben der Straße übernachten. Der Vorsaison sei Dank.

Wir haben noch nicht genug vom Verdon und wandern am nächsten Tag vom Parkplatz am Col du Olivier wieder steil runter zum Fluss, diesmal mit längerem Badeaufenthalt auf einer Sandbank. Das Wasser hat zwar karibische Farbe, aber leider nicht im entferntesten die entsprechende Temperatur. Zum Erfrischen und kurzen Floaten reicht die Überwindung.

Natürlich wollen wir auch die andere Seite der Schlucht sehen und fahren mit vielen Stops schlussendlich bis zur Pont de l'Artuby, wo wir wieder auf einem Parkplatz neben der Straße und trotzdem herrlich ruhig übernachten. Wer hätte gedacht, dass Freistehen hier so einfach ist. Erster Programmpunkt am nächsten Tag sind die Balcons de la Mescla oberhalb des Zusammenflusses von Verdon und Artuby. Weiter über das nette Örtchen Castellane, vorbei am Lac de Castillon, durch die Gorges de Daluis, die mit ihren lila-roten Felsen irgendwie nicht hierher zu passen scheint, kommen wir bis Saint-Martin-d'Entraunes. Der hiesige Campingplatz Le Prieuré wirkt noch sehr verschlafen, was uns aber natürlich ganz recht ist.

Wir sind nun im Parc National du Mercantour, hier locken diverse Wanderungen. Die Tour zur Cote de l'Ane (2916 m) ist mit sieben Stunden und 1000 Höhenmetern ein guter Anfang. Länger und wegen einiger Höhenmeter mehr auch anstrengender ist die Tour auf den Mont Pelat (3050 m). Die geplante Rundtour können wir hier leider nicht gehen, der Rückweg über den Pas de la Grand Barre ist wegen riesiger Schneefelder noch unmöglich. Passend zum sehr schönen Wandertag finden wir nach dem Col de la Cayolle bei Bayasse einen herrlichen Übernachtungsplatz mit fließend Wasser vor der Tür (zugegeben kalt) und mit wieder einmal genialer Aussicht.

Über Barcelonnette, das montags einer Geisterstadt gleicht, fahren wir zum Col de la Bonnette. Wir bewundern aufrichtig alle, die mit dem Rad hier hoch fahren! Oben hat es leider noch so viel Schnee, dass der Fußweg zum Cime de la Bonnette unpassierbar ist. Heute also nix mit Laufen. Beim Zwischenhalt im schönen Bergdorf Rimplas fragen wir uns einmal mehr, wie das Leben an einem solchen Ort sein muss: jeweils eine halbe Stunde Fahrt über steile, schmale Straßen in beide Richtungen, kein Supermarkt, aber auch kein Lärm und irgendwie auch kein Stress.

Das genaue Gegenteil ist dann Valberg, ein echter französischer Skiort, im Winter muss hier die Hölle los sein. Oberhalb am Col de l'Espaul übernachten wir auf dem Wanderparkplatz, von dem aus es am nächsten Morgen auf den Mont Mounier (2817 m) geht. Die Runde ist mit 21 km und 1200 Höhenmetern gut zu schaffen, und weil es trotz abschließendem Bad im Gebirgsbach noch nicht so spät ist, fahren wir noch ein Stück in Richtung der nächsten Wanderung. Wir landen oberhalb von Pierlas wieder auf einem Traum-Stellplatz, zwischen Ginster, Thymian und was sonst noch alles blühen und duften kann. Ginster begleitet uns auch auf unserer Wanderung auf den Les Cluots (2106 m) am nächsten Tag. Der Rückweg auf der Westseite über rote Felsen und mit Blick in die Gorges du Cians ist eindeutig schöner als der endlose Aufstieg auf der östlichen Seite.

Wanderung auf den Mont Mounier

Als nächstes steht die Wanderung auf den Mont Giraud (2606 m) an. Beim langen Aufstieg schwitzen wir noch mächtig, oben ist es dann ganz schön zugig, und beim Abstieg nieselt es sogar leicht. Um die Rhododendronbüsche in voller Blüte zu erleben, sind wir leider etwas zu früh, aber zumindest einen Hauch rosa sehen wir schon. Um wieder Richtung Norden zu kommen, überqueren wir nochmals den Col de la Bonnette. Da abends kaum mehr ein Auto unterwegs ist, können wir wieder einen Platz neben der Straße beziehen. Wir werden in diesem Urlaub Profis im Übernachten an der Straße; bis vor kurzem undenkbar, unter diesen Umständen aber überhaupt kein Ding.

Ein Pass klangvoller als der andere: am Col d' Izoard können wir nicht vorbeifahren. Warum auch immer hat sich mir dieser Name bei den Verkehrsmeldungen früher auf Bayern 3 fest ins Hirn eingebrannt. Auf halber Höhe der Zufahrt unternehmen wir eine sehr schöne kleine Wanderung, steigen auf den Crete des Esparges Fines (2701m) und haben von dort einen Wahnsinnsrundumblick. Später auf der Passhöhe vom Izoard haut uns der Sturm fast um, nicht verwackelte Fotos zu machen, wird zur Herausforderung. Der Ausblick ist auf beiden Seiten phänomenal!

Mit dem Parc National des Ecrins steht uns ein letztes Highlight bevor, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Die beiden Wanderungen, die wir machen wollen, liegen örtlich nah beieinander - blöd nur, dass ein 4000er-Massiv dazwischen liegt und es keine Straßenverbindung gibt. Da das Wetter aber traumhaft ist und man nie weiß, ob das beim nächsten Mal auch so sein wird, nehmen wir die mit vielen Kilometern verbundene Anreise in Kauf.

Selbst im engen Tal nach dem letzten Örtchen Ailefroide finden wir in einer Kiesgrube einen freien Stellplatz. Damit sind wir schon nah am Startpunkt für den nächsten Morgen, der Pré de Madame Carle. Offiziell zwar verboten, hätte jetzt in der Vorsaison vermutlich auch keiner was dagegen gehabt, wenn wir dort auf dem riesigen Parkplatz übernachtet hätten. Auf den ersten Kilometern sind wir - im Vergleich zu den letzten Touren - in Begleitung vieler Menschen unterwegs. Das ist aber auch kein Wunder, denn nach einem wenig schwierigen Anstieg steht man direkt unterhalb des riesigen Glacier Blanc. Nach dem Ref.Glacier Blanc wird es ruhiger, und wir steigen zuerst entlang, dann noch ein Stück auf dem Gletscher in Richtung Ref. Ecrins. Wir haben keine Steigeisen an und gehen auch nicht am Seil, deshalb ist auf dem Gletscher irgendwann Schluss für uns, bis auf über 3000 Meter sind wir aber trotzdem gekommen. Und der freie Blick auf die Barre des Ecrins (4102 m) war das kleine Risiko wert! Beim Abstieg nehmen wir uns entlang des Gletschers viel Zeit und bewundern Gletscherspalten, die hellblaue Farbe, Eishöhlen und turmhohe Seracs - sehr beeindruckend.

Nach Autofahren ist uns nach dieser Tour nicht mehr; wir nehmen nochmal die Kiesgrube zum Übernachten und werden morgen den Turbo einlegen, um auf die "andere Seite" zu kommen.

Um den Ausgangpunkt der letzten Tour, La Berarde, zu erreichen, müssen wir zurück zur Nationalstraße, über Briancon und den Col du Lautaret bis Le Clapier zum Abzweig ins Haut-Vénéon, insgesamt fast 150 km; hilft ja nichts. Das Tal ist weniger bebaut und offener, gefällt uns besser als das Vallouise-Tal. Der Aufstieg auf die Téte de la Maye (2518 m) ist mit 800 m Höhenunterschied eine kürzere Tour, deshalb ist es kein Problem, dass wir erst am späten Vormittag loslaufen. Es geht stramm bergauf, später helfen Eisentritte und Ketten an den steilsten Stellen. Wir haben einen 360°-Aussichtsgipfel ausgesucht, oben heißt es nur noch schauen und staunen. Wahnsinn!

Unser letzter Stellplatz ist ein lauter, wir stehen am reissenden Gebirgsbach Vénéon. Komischerweise stört dieser natürliche "Lärm" unseren Schlaf überhaupt nicht, stünde man bei der Geräuschkulisse an der Autobahn, würde man kein Auge zumachen.

Dann heißt es nur noch Fahren. Wir nehmen wieder Nationalstraßen und kommen dabei durch uns noch unbekannte Regionen wie das Jura. Nicht zum ersten und bestimmt auch nicht zum letzten Mal stellen wir fest, wie vielfältig Frankreich ist. Genau genommen müsste man für lange Zeit nirgends sonst hinfahren - wäre da nicht die Neugier auf andere Länder. An einem langen Tag schaffen wir es bis zum schon öfter genutzten Stellplatz am Rhein bei Marckolsheim. Von hier aus ist es (fast) nur noch ein Katzensprung nach Hause, wo uns als kleine Entschädigung, dass die Tour vorbei ist, am letzten Urlaubsabend ein Depeche Mode-Konzert erwartet. Ein würdiges Ende für eine richtig schöne Tour!

 

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