Patagonien 2005
 
 

 
 
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Wieder liegen fast drei Jahre Arbeiten hinter uns, abgesehen von einer Woche auf Korfu und dem einen oder anderen Skiwochenende in den Alpen, und noch einmal haben wir es damit geschafft, einen zweimonatigen Urlaub einzulegen. Über das Ziel hatte es nie Zweifel gegeben; nach unserer ersten Südamerikareise 2002 wussten wir, dass wir wiederkommen wollen und werden. Und da uns das Selbstfahrerdaseinso gut gefallen hatte, wollten wir gern wieder mit einem Camper unterwegssein, nur diesmal mit einem etwas größeren und damit komfortableren. Auch wenn die Mietpreise üppig waren, das Teil zu kaufen und nach der Reise wieder zu verkaufen, war uns dann doch zu aufwändig. So überlegten wir uns jeden Tag gut, an dem wir das Auto brauchen würden. Da wir in Patagonien gern ausgiebig wandern gehen wollten, entschieden wir uns für eine Übernahme nach knapp drei Wochen.

Nach nur einer Nacht Zwischenstop in Buenos Aires – wir waren ganz entspannt, wir würden die letzten Tage der Reise hier verbringen – flogen wir weiter nach El Calafate. Unsere ersten Tage in Patagonien verbringen wir im Naturrausch: eine Tour zum Perito Moreno-Gletscher und eine Ganztages-Bootstour zum Upsala-Gletscher sind der erste Vorgeschmack auf diese unglaubliche Landschaft. Dass wir bei den Touren mehr oder minder immer im Pulk mit vielen anderen Menschen unterwegs sind, stört uns zwar manchmal, lässt sich aber nicht ändern. Den Nachteil dieser Art des Unterwegsseins kannten wir vorher. Den Vorteil, sehr schnell andere Reisende kennenzulernen, genossen wir in unserem supertollen Hostal aber natürlich auch. Und auch hier stellte sich einmal mehr heraus, dass der Musikgeschmack auf Partys weniger mit dem Kontinent, von dem der DJ stammt, zusammenhängt als mit dem Alter der Zuhörer und Tänzer..

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Auch wenn El Calafate schon zu dieser Zeit ziemlich touristisch war, hat uns der Ort irgendwie gefallen. Mit dem Bus ging es von hier weiter nach El Chalten, und hier sollte es auch mit Wandern richtig losgehen. Die Rucksäcke waren gepackt, wir hatten Campingausrüstung und Proviant für vier Tage dabei – die Runde zum Cerro Torre und Fitz Roy steht an. Fast hätten wir keine kurzen Hosen mitgenommen, was sich vermutlich als schlimmer Fehler erwiesen hätte. Aber wer konnte ahnen, bei welchem Wetter wir unterwegs sein würden. Was hatten wir nicht alles über Sturm, Regen und tief hängende Wolken gelesen, nun können wir unser Glück kaum fassen, dass wir vom ersten Tag an Sonnenschein und sehr angenehme Temperaturen haben.

Der Vorteil beim Wandern in Patagonien, zumindest beim normalen Trekking, ist, dass es kaum steile Steigungen gibt und man in kaum nennenswerten Höhen unterwegs ist. So machte uns selbst das doch spürbare Gepäck keine großen Probleme. Und freie Blicke auf (vor allem Jürgens) Traumberge, zwischendurch malerische Seen und Buchenwälder entschädigen für alle Strapazen. Nach drei Tagen kamen wir zwar ziemlich k.o., aber extrem glück-lich und zufrieden zurück nach El Chalten.

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Jetzt hatten wir richtig Blut geleckt – es ging direkt weiter zum Nationalpark Torres del Paine auf chilenischer Seite. Auch hier wieder packen und los gehts, diesmal mit noch etwas mehr Verpflegung, da wir noch ein paar Tage länger unterwegs sein wollen. Bis kurz vor dem letztlichen Loslaufen waren wir uns nicht sicher, ob wir die gesamte Runde um das Paine-Massiv oder "nur" das W laufen wollten, entschieden uns dann für letzteres und waren damit sehr zufrieden.

Wir verbringen insgesamt sieben Tage im Nationalpark, wan- dern jeden Tag, können uns an Bergen aus Eis und Fels nicht satt sehen, wagen sogar das eine oder andere Bad in den ziemlich kalten Lagos und danken jeden Tag aufs Neue dem Wettergott. Denn bis auf eine Nacht mit Regen und einen be- deckten Vormittag erlebten wir ausschließlich Sonne und blauen Himmel mit höchstens dekorativ zu nennenden Wölkchen. Uns sollte nochmal jemand was vom furchtbaren patagonischen Wetter erzählen!! Nach einem Ruhetag in Purto Natales, den unsere Beine und Köpfe dringend notwendig hatten, mussten wir uns Richtung Norden aufmachen – in Trelew würden wir unseren Camper übernehmen.

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Anderthalb Tage Busfahrt später stehen wir am Atlantik in Puerto Madryn. Da uns noch ein Tag bis zur Übernahme bleibt, machen wir von hier aus eine Tour auf die Peninsula Valdez, die auch ohne Wale schön ist. Aber wiederkommen und Wale sehen wollen wir auf jeden Fall.

Die Widrigkeiten, den Camper wirklich fahrbereit in die Hände zu bekommen, sind zahlreich: der Vormieter hatte einen Unfall, nun muss etliches repa-riert werden, die Teile dafür müssen aber erst aus Buenos Aires eingeflogen werden. Zwei Tage später als geplant und mit einigen Nerven weniger fahren wir schließlich mit einem Ford Ranger mit Aufsetzkabine auf der Ruta 3 wieder gen Süden. Vorbei an den Pinguinkolonien in Punta Tombo und Dos Bahias geht es bis Comodoro Rivadavia und ab dort über Pisten ins Landesinnere. Mit einiger Mühe finden wir die Versteinerten Wälder Ormachea und sind schon zum wiederholten Male in diesen Tagen froh, unabhängig unterwegs zu sein. Denn Tourbusse verirren sich vermutlich nicht hierher. Weiter auf der berühmten Ruta 40 bis zum Ort Perito Moreno - zum ersten Mal richtiges Pistenfeeling in der Pampa. Die Cueva de los Manos lassen wir natürlich nicht aus, ein netter Bauarbeiter lässt uns sogar für einige Minuten hinter den Zaun, der den direkten Zugang zu den Höhlen verwehrt, seit ein paar Idioten Stücke der Felsmauern abgebrochen haben. Wir sind sehr beeindruckt.

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Entlang einer ziemlich abenteuerlichen Straße am Lago Argentino bis nach Chile, und dann sind wir auf der Carretera Austral, DER Straße schlechthin. Es ist genau so, wie wir es uns vorgestellt hatten: sehr einsam, sehr wild, und die Wolken hängen ab und an auch tief. Immer wieder passieren wir Baustellen und fragen uns, wie lange diese Straße wohl noch DIE Straße sein wird. Coihaique, Puerto Aisen, Ventisquero Colgante sind die nächsten Stationen. Am berühmten Hängegletscher haben wir unglaubliches Glück und wandern bei strahlendem Sonnerschein zum Mirador. Wolkenbilder können wir davon leider nicht schießen.. Die nächste Wanderung führt zum Ventisquero Cavi, auch hier Sonne.

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Nachdem wir die Anden nach Argentinien wieder überquert  und den Nationalpark Los Alerces erreicht haben, verlässt uns leider das Wetterglück. Ab jetzt und bis zum Ende der Reise wechseln sich Tage mit wunderschönem Wetter mit echt beschissenem ab. Das macht es um einiges schwerer, die so schöne Gegend zu genießen – oft sehen wir einfach gar nichts mehr. El Bolson ist zwar nett, aber reißt uns nicht vom Hocker. Im Nationalpark Nahuel Huapi wandern wir wieder für zwei Tage unterhalb des Monte Tronador (was mir ein kleinen Mitbringsel in Form einer Fliege in meinem rechten Ohr beschert, die dort einen qualvollen Tod stirbt und gute zwei Monate später von einem rabiaten Frankfurter HNO in Stücken entfernt wird). Bariloche lassen wir in strömendem Regen im wahrsten Sinn des Wortes links liegen, vorbei am Lagu  Hua Hum bis Junin de los Andes, wo wir uns zur Abwechs-lung ein richtig nettes Hotel mit sauberer und heißer Dusche und mit Ofen gönnen. Ein Hauch Luxus in kleinen Dosen kann sehr schön sein!

Vulkan Lanin, Vulkan Villarrica, Vulkan Llaima, alle sehen wir im Sonnenschein. Im Nationalpark Conguillio  rund  um  den  Llaima  machen wir eine unserer schönsten Wanderungen: bei perfektem Wetter durchstreifen wir Wälder voller riesiger Araukarien, haben Wahnsinns-Ausblicke auf Llaima und Villarrica, beobachten in aller Ruhe einen majestätischen Kondor. Das ist nahe am perfekten Tag. Den Villarrica besteigen wir mit einer organisierten Tour, schauen mit Staunen, etwas Schaudern und zugehaltener Nase in den feuerspuckenden Krater und rutschen am Ende auf dem Hintern die steilsten Passagen in Eisrinnen runter. Was für ein Spaß!

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Das Wetter in der chilenischen Schweiz wird immer wechselhafter, immer wieder fahren wirdurch Landschaften, die wahrscheinlich wunderschön wä-ren, wenn etwas von ihnen zusehen wäre. Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass wir zu Beginn der Reise solches Wetterglück hatten und wir jetzt nicht meckern dürfen. Dass man im Süden von Chile und Argentinien nicht mit Dauersonnenschein rechnen darf, hatten wir natürlich gewusst. Richtig gut umgehen können wir mit dem unbeständigen Wetter trotzdem nicht, vor allem weil das auch bedeutet, dass wir wenig draußen sein und schon gar nicht mehr oft wandern gehen können. Den Osorno sehen wir wenigstens für einen halben Tag.

Nach fast drei Tagen Dauerregen und nachdem wir ziemlich entnervt und frustriert Chile verlassen haben, sind wir in Villa Angostura kurz davor, unseren Rückflug vorzuverlegen. Da Ostern bevorsteht, klappt das aber zum Glück nicht. Zum Glück deshalb, weil unsere letzten Tage rund um den Lago Nahuel Huapi bei gutem Wetter stattfinden. Wir wandern zum Myrthenwald, der Walt Disney nicht umsonst zu Bambi inspirierte, so niedlich sieht hier alles aus; verbringen einen sehr schönen ruhigen Tag am Lago Carrentoso; kaufen leckere Schokolade in Bariloche und machen eine letzte kleine Wanderung auf den Pico Turistico oberhalb von Bariloche. Und dann ist schon die letzte Nacht im Camper da, zu allem Überfluss lernen wir am Abend ein deutsches Paar kennen, das mit einem Unimog auf großer Tour in Südamerika ist. Nicht zum ersten Mal haben wir den Gedanken, dass wir so frei auch gern mal reisen würden.

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Als "unser" Camper mit einem fremden Mann am Steuer davonfährt und wir am Flughafen zurückbleiben, ist das schon ein sehr merkwürdiges Gefühl. Das nahe Ende der Reise macht uns zu schaffen, auch wenn wir in den letzten Tagen wegen des Wetters das eine oder andere Mal genervt waren.

Wenigstens steht uns mit anderthalb Tagen Buenos Aires ein würdiger Abschluss bevor. Der Friedhof von Recoleta, La Boca, San Telmo, Puerto Madero, im Schnelldurchgang schauen wir uns die Highlights an und wissen schon nach ein paar Stunden, dass wir in diese Stadt wiederkommen sollten.

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Als wir südamerikanischen Boden verlassen, fragen wir uns, für wie lange wir dieses Mal "weg" sein werden. Der Gedanke an eine richtige Reise, mit einem eigenen Auto, ist jedenfalls in unseren Köpfen eingepflanzt.

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