Wieder
liegen fast drei Jahre Arbeiten hinter uns, abgesehen von einer Woche auf Korfu
und dem einen oder anderen Skiwochenende in den Alpen, und noch einmal haben
wir es damit geschafft, einen zweimonatigen Urlaub einzulegen. Über das Ziel
hatte es nie Zweifel gegeben; nach unserer ersten Südamerikareise 2002 wussten
wir, dass wir wiederkommen wollen und werden. Und da uns das Selbstfahrerdaseinso gut gefallen hatte, wollten wir gern wieder mit einem Camper unterwegssein, nur diesmal mit einem etwas größeren und damit komfortableren. Auch wenn
die Mietpreise üppig waren, das Teil zu kaufen und nach der Reise wieder zu
verkaufen, war uns dann doch zu aufwändig. So überlegten wir uns jeden Tag gut,
an dem wir das Auto brauchen würden. Da wir in Patagonien gern ausgiebig
wandern gehen wollten, entschieden wir uns für eine Übernahme nach knapp drei
Wochen.
Nach nur
einer Nacht Zwischenstop in Buenos Aires – wir waren ganz entspannt, wir würden
die letzten Tage der Reise hier verbringen – flogen wir weiter nach El
Calafate. Unsere ersten Tage in Patagonien verbringen wir im Naturrausch: eine Tour
zum Perito Moreno-Gletscher und eine Ganztages-Bootstour zum Upsala-Gletscher sind
der erste Vorgeschmack auf diese unglaubliche Landschaft. Dass wir bei den
Touren mehr oder minder immer im Pulk mit vielen anderen Menschen unterwegs
sind, stört uns zwar manchmal, lässt sich aber nicht ändern. Den Nachteil
dieser Art des Unterwegsseins kannten wir vorher. Den Vorteil, sehr schnell
andere Reisende kennenzulernen, genossen wir in unserem supertollen Hostal aber
natürlich auch. Und auch hier stellte sich einmal mehr heraus, dass der
Musikgeschmack auf Partys weniger mit dem Kontinent, von dem der DJ stammt, zusammenhängt
als mit dem Alter der Zuhörer und Tänzer..
Auch wenn
El Calafate schon zu dieser Zeit ziemlich touristisch war, hat uns der Ort
irgendwie gefallen. Mit dem Bus ging es von hier weiter nach El Chalten, und hier sollte es auch mit Wandern richtig losgehen. Die Rucksäcke waren gepackt, wir hatten Campingausrüstung und Proviant für vier Tage dabei – die
Runde zum Cerro Torre und Fitz Roy steht an. Fast hätten wir keine kurzen Hosen
mitgenommen, was sich vermutlich als schlimmer Fehler erwiesen hätte. Aber wer
konnte ahnen, bei welchem Wetter wir unterwegs sein würden. Was hatten wir
nicht alles über Sturm, Regen und tief hängende Wolken gelesen, nun können wir unser
Glück kaum fassen, dass wir vom ersten Tag an Sonnenschein und sehr angenehme
Temperaturen haben.
Der
Vorteil beim Wandern in Patagonien, zumindest beim normalen Trekking, ist, dass
es kaum steile Steigungen gibt und man in kaum nennenswerten Höhen unterwegs
ist. So machte uns selbst das doch spürbare Gepäck keine großen Probleme. Und
freie Blicke auf (vor allem Jürgens) Traumberge, zwischendurch malerische Seen
und Buchenwälder entschädigen für alle Strapazen. Nach drei Tagen kamen wir zwar
ziemlich k.o., aber extrem glück-lich und zufrieden zurück nach El Chalten.
Jetzt
hatten wir richtig Blut geleckt – es ging direkt weiter zum Nationalpark Torres
del Paine auf chilenischer Seite. Auch hier wieder packen und los gehts,
diesmal mit noch etwas mehr Verpflegung, da wir noch ein paar Tage länger
unterwegs sein wollen. Bis kurz vor dem letztlichen Loslaufen waren wir uns
nicht sicher, ob wir die gesamte Runde um das Paine-Massiv oder "nur" das W laufen wollten,
entschieden uns dann für letzteres und waren damit sehr zufrieden.
Wir verbringen
insgesamt sieben Tage im Nationalpark, wan- dern jeden Tag, können uns an Bergen
aus Eis und Fels nicht satt sehen, wagen sogar das eine oder andere Bad in den
ziemlich kalten Lagos und danken jeden Tag aufs Neue dem Wettergott. Denn bis
auf eine Nacht mit Regen und einen be- deckten Vormittag erlebten wir
ausschließlich Sonne und blauen Himmel mit höchstens dekorativ zu nennenden
Wölkchen. Uns sollte nochmal jemand was vom furchtbaren patagonischen Wetter
erzählen!! Nach einem Ruhetag in Purto Natales, den unsere Beine und Köpfe
dringend notwendig hatten, mussten wir uns Richtung Norden aufmachen – in
Trelew würden wir unseren Camper übernehmen.
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Anderthalb
Tage Busfahrt später stehen wir am Atlantik in Puerto Madryn. Da uns noch ein
Tag bis zur Übernahme bleibt, machen wir von hier aus eine Tour auf die
Peninsula Valdez, die auch ohne Wale schön ist. Aber wiederkommen und Wale
sehen wollen wir auf jeden Fall.
Die
Widrigkeiten, den Camper wirklich fahrbereit in die Hände zu bekommen, sind
zahlreich: der Vormieter hatte einen Unfall, nun muss etliches repa-riert
werden, die Teile dafür müssen aber erst aus Buenos Aires eingeflogen werden. Zwei Tage
später als geplant und mit einigen Nerven weniger fahren wir schließlich mit
einem Ford Ranger mit Aufsetzkabine auf der Ruta 3 wieder gen Süden. Vorbei an
den Pinguinkolonien in Punta Tombo und Dos Bahias geht es bis Comodoro
Rivadavia und ab dort über Pisten ins Landesinnere. Mit einiger Mühe finden wir
die Versteinerten Wälder Ormachea und sind schon zum wiederholten Male in diesen
Tagen froh, unabhängig unterwegs zu sein. Denn Tourbusse verirren sich
vermutlich nicht hierher. Weiter auf der berühmten Ruta 40 bis zum Ort Perito
Moreno - zum ersten Mal richtiges Pistenfeeling in der Pampa. Die Cueva de los
Manos lassen wir natürlich nicht aus, ein netter Bauarbeiter lässt uns sogar
für einige Minuten hinter den Zaun, der den direkten Zugang zu den Höhlen
verwehrt, seit ein paar Idioten Stücke der Felsmauern abgebrochen haben. Wir
sind sehr beeindruckt.
Entlang
einer ziemlich abenteuerlichen Straße am Lago Argentino bis nach Chile, und
dann sind wir auf der Carretera Austral, DER Straße schlechthin. Es ist genau
so, wie wir es uns vorgestellt hatten: sehr einsam, sehr wild, und die Wolken
hängen ab und an auch tief. Immer wieder passieren wir Baustellen und fragen uns, wie
lange diese Straße wohl noch DIE Straße sein wird. Coihaique, Puerto Aisen,
Ventisquero Colgante sind die nächsten Stationen. Am berühmten Hängegletscher
haben wir unglaubliches Glück und wandern bei strahlendem Sonnerschein zum
Mirador. Wolkenbilder können wir davon leider nicht schießen.. Die nächste
Wanderung führt zum Ventisquero Cavi, auch hier Sonne.
Nachdem
wir die Anden nach Argentinien wieder überquert und den
Nationalpark Los Alerces erreicht haben, verlässt uns leider das
Wetterglück. Ab jetzt und bis zum Ende der Reise wechseln sich Tage mit
wunderschönem Wetter mit echt beschissenem ab. Das macht es um einiges
schwerer, die so schöne Gegend zu genießen – oft sehen wir einfach gar nichts
mehr. El Bolson ist zwar nett, aber reißt uns nicht vom Hocker. Im Nationalpark
Nahuel Huapi wandern wir wieder für zwei Tage unterhalb des Monte Tronador
(was mir ein kleinen Mitbringsel in Form einer Fliege in meinem rechten Ohr beschert, die dort
einen qualvollen Tod stirbt und gute zwei Monate später von einem rabiaten
Frankfurter HNO in Stücken entfernt wird). Bariloche lassen wir in strömendem
Regen im wahrsten Sinn des Wortes links liegen, vorbei am Lagu Hua Hum bis
Junin de los Andes, wo wir uns zur Abwechs-lung ein richtig nettes Hotel mit
sauberer und heißer Dusche und mit Ofen gönnen. Ein Hauch Luxus in kleinen
Dosen kann sehr schön sein!
Vulkan
Lanin, Vulkan Villarrica, Vulkan Llaima, alle sehen wir im Sonnenschein. Im
Nationalpark Conguillio rund um den Llaima machen wir eine unserer schönsten Wanderungen: bei
perfektem Wetter durchstreifen wir Wälder voller riesiger Araukarien, haben
Wahnsinns-Ausblicke auf Llaima und Villarrica, beobachten in aller Ruhe einen
majestätischen Kondor. Das ist nahe am perfekten Tag. Den Villarrica besteigen
wir mit einer organisierten Tour, schauen mit Staunen, etwas Schaudern und
zugehaltener Nase in den feuerspuckenden Krater und rutschen am Ende auf dem
Hintern die steilsten Passagen in Eisrinnen runter. Was für ein Spaß!
Das Wetter
in der chilenischen Schweiz wird immer wechselhafter, immer wieder fahren wirdurch Landschaften, die wahrscheinlich wunderschön wä-ren, wenn etwas von ihnen zusehen wäre. Wir müssen uns immer wieder vergegenwärtigen, dass wir zu Beginn
der Reise solches Wetterglück hatten und wir jetzt nicht meckern dürfen. Dass
man im Süden von Chile und Argentinien nicht mit Dauersonnenschein rechnen
darf, hatten wir natürlich gewusst. Richtig gut umgehen können wir mit dem
unbeständigen Wetter trotzdem nicht, vor allem weil das auch bedeutet, dass wir
wenig draußen sein und schon gar nicht mehr oft wandern gehen können. Den
Osorno sehen wir wenigstens für einen halben Tag.
Nach fast
drei Tagen Dauerregen und nachdem wir ziemlich entnervt und frustriert Chile
verlassen haben, sind wir in Villa Angostura kurz davor, unseren Rückflug
vorzuverlegen. Da Ostern bevorsteht, klappt das aber zum Glück nicht. Zum Glück
deshalb, weil unsere letzten Tage rund um den Lago Nahuel Huapi bei gutem
Wetter stattfinden. Wir wandern zum Myrthenwald, der Walt Disney nicht umsonst
zu Bambi inspirierte, so niedlich sieht hier alles aus; verbringen einen sehr
schönen ruhigen Tag am Lago Carrentoso; kaufen leckere Schokolade in Bariloche
und machen eine letzte kleine Wanderung auf den Pico Turistico oberhalb von
Bariloche. Und dann ist schon die letzte Nacht im Camper da, zu allem Überfluss
lernen wir am Abend ein deutsches Paar kennen, das mit einem Unimog auf großer
Tour in Südamerika ist. Nicht zum ersten Mal haben wir den Gedanken, dass wir
so frei auch gern mal reisen würden.
Als
"unser"
Camper mit einem fremden Mann am Steuer davonfährt und wir am Flughafen
zurückbleiben, ist das schon ein sehr merkwürdiges Gefühl. Das nahe Ende der
Reise macht uns zu schaffen, auch wenn wir in den letzten Tagen wegen des
Wetters das eine oder andere Mal genervt waren.
Wenigstens steht uns mit anderthalb
Tagen Buenos Aires ein würdiger Abschluss bevor. Der Friedhof von Recoleta, La
Boca, San Telmo, Puerto Madero, im Schnelldurchgang schauen wir uns die
Highlights an und wissen schon nach ein paar Stunden, dass wir in diese Stadt
wiederkommen sollten.
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Als wir
südamerikanischen Boden verlassen, fragen wir uns, für wie lange wir dieses Mal
"weg"
sein werden. Der Gedanke an eine richtige Reise, mit einem eigenen Auto,
ist jedenfalls in unseren Köpfen eingepflanzt.
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