Nepal 2018

 

 
 
 
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Zum dritten Mal wollen wir auf Trekkingtour in Nepal gehen, dieses Mal in der Annapurna-Region und ohne Guide und Porter. Nach den vielen Wanderungen auf unserer Balkanrunde fühlen wir uns fit genug, unseren Kram selbst zu tragen - trotzdem überlegen wir bei jedem Kleidungsstück und jedem (Ausrüstungs)Gegenstand, ob das wirklich mit muss. Mit viel Disziplin packen wir die Rucksäcke und schaffen es tatsächlich, mit ca. 11/12 kg auszukommen. Das sollte zu tragen sein.

Die Annapurna-Runde gilt als eine der bequemeren Routen, denn alle paar Kilometer gibt es Dörfer mit Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeiten. Auch wenn die Guesthouses mehr oder weniger spartanisch sind, ist es also nicht notwendig, Campingausrüstung oder Verpflegung mitzuschleppen, abgesehen vom Schlafsack (der nicht zwingend notwendig ist, denn in jedem Zimmer liegen Decken parat) und einer Thermoskanne oder Trinkflasche. Im Klaren muss man sich bei der Planung nur darüber sein, dass zwar die Übernachtungen sehr günstig (manchmal sogar kostenlos) sind, Essen und Getränke mit zunehmender Höhe aber immer teurer werden. So kann es sich schon lohnen, ein paar Teebeutel mitzunehmen; die wiegen nicht viel und man spart gut 2 bis 3 Euro pro 1-Liter-Pott.

Die Wege auf der gesamten Runde sind gut markiert, zudem gibt es gute Karten und Wanderführer, so dass auch für die Wegführung ein Guide nicht notwendig ist. Wir können aber alle verstehen, insbesondere Nepal-"Ersttäter", die mit Guide und/oder Träger unterwegs sein wollen. Gerade beim ersten Trekking ist es doch deutlich einfacher, sich aufs Laufen konzentrieren zu können und sich nicht um Wege, Übernachten und Einkehren kümmern und selbst sämtliches Gepäck tragen zu müssen. Mit unseren (Wander)Erfahrungen der letzten Jahre, auch aus den zwei früheren Touren in Nepal, trauen wir uns zu, die Tour autark zu gehen; und natürlich spart man so auch einiges an Geld. Wir planen ausreichend Zeit für die gesamte Annapurna-Runde mit Abstechern zu Ice Lake und Tilicho Lake ein und anschließend die Tour zum Annapurna Base Camp. Am Ende wollen wir noch je zwei Tage in Pokhara und Kathmandu verbringen. So weit der Plan.

Unsere Flüge mit Qatar sind nicht mehr die günstigsten, dafür haben wir einfach zu spät gebucht. Aber wir kommen zumindest pünktlich und gut verpflegt und unterhalten an. Nachdem wir den Stadtteil Thamel mittlerweile ganz gut kennen, war uns bei der Hotelwahl vor allem wichtig, dass es halbwegs ruhig sein würde. Mit dem Nepal Cottage Resort waren wir unter dem Aspekt wirklich sehr glücklich. Kathmandu empfängt uns, wie wir es kennen: laut, voller Menschen, mit viel Abgasgestank und Müll allerorten - und trotzdem immer wieder faszinierend.

Bei unserem ersten Kathmandu-Aufenthalt 2011 hatten wir ausgiebig Sightseeing gemacht und waren von Tempeln, Pagoden und Palästen schwer beeindruckt. Natürlich wollten wir wissen, wie stark die Folgen der schweren Erdbeben von April/Mai 2015 noch zu sehen sind.

Erstaunlicherweise sind an den normalen Häusern kaum Schäden zu sehen bzw. stehen kaum noch zerstörte Häuser. Schlimm sieht es dagegen bei den historischen Bauwerken an den Durbar-Plätzen von Kathmandu, Patan und Bhaktapur aus. Es wird überall am Wiederaufbau gearbeitet - ob und wann der jemals gelingt, sei dahingestellt.

Es tut richtig weh, die eingestürzte Pracht zu sehen; vor allem, wenn man die Gebäude vorher gesehen hat.

Auch in Swayambhunath, mit geschätzt ca. 2500 Jahren eine der ältesten buddhistischen Tempelanlagen der Welt, sind die Folgen der Erdbeben noch zu sehen. Doch beeindruckend ist der Affentempel noch immer.

Wir kommen während Diwali, dem Lichter-Fest an, eines der wichtigsten hinduistischen Feste, das sich über mehrere Tage erstreckt. Die Stadt ist noch voller und lauter als üblich; alles ist mit Blumengirlanden, Lichterketten und Kerzen geschmückt, vor vielen Haus- und Ladeneingängen sind bunte Mandalas aus Blütenblättern, Reis oder Linsen gelegt. Jeder Tag ist einem Tier gewidmet: Rabe, Kuh, Hund. Manches etwas skurril, aber alles sehr interessant anzuschauen!

Nebenbei haben wir uns um die notwendigen Permits für die Trekkingtour gekümmert, die Abfahrtstelle für den Bus nach Besisahar gefunden und ausreichend Bargeld besorgt. Als Nachteil empfinden wir es nicht, dass wir diesmal all das selbst organisieren müssen, was bei den beiden letzten Touren eine Agentur für uns erledigt hat. Die Permits werden im Tourist Board ausgestellt, hier muss man nur ein wenig Geduld, je zwei Passfotos pro Permit und Bargeld fürs Bezahlen (3000 Rupien/Person für das ACAP-Trekking-Permit und 2000 Rs/Person für das TIMS-Permit) mitbringen. Schwieriger ist es, an den diversen nicht funktionierenden ATM die enorme Menge an Bargeld abzuheben, die wir in den nächsten Wochen benötigen werden. Denn auf der Annapurna-Runde (zumindest bis Jomson) gibt es keine Geldautomaten und erst recht ist nirgends Kartenzahlung möglich. Zum Glück haben wir den größten Teil des Geldes bar in Euro mitgebracht, wir bekommen in einer der Wechselstuben in Thamel für diesen hohen Betrag nach etwas Verhandlung einen sehr guten Tauschkurs.  Wir haben 40 €/Trekkingtag eingeplant (und ungefähr auch benötigt), entsprechend dick fällt das Bündel Geldscheine aus, das wir nun mit uns rumtragen. (Dass wir am Ende noch viel zu viele Rupien besitzen, fällt uns zum Glück nicht auf die Füße; wir können ohne großen Verlust in einen glatten Euro-Betrag zurücktauschen.)

Die Busfahrt nach Besisahar ist länger (und nerviger) als erwartet. Weil wir erst gegen 9 loskamen, erreichen wir den Startpunkt unserer Wanderung erst kurz vor 16 Uhr; damit ist der Plan, nachmittags noch ein paar Stunden zu laufen, passé. Weil wir aber auch nicht in Besisahar übernachten wollen, fahren wir ein Stück mit dem Jeep. Kaum schneller und auch kaum bequemer als der Bus, aber so kommen wir noch bis Ngadi. Wir wollten zwar gern die gesamte Runde laufen, machen daraus aber kein Dogma, wenn es anders besser passt. Auch wenn wir noch keinen Kilometer gelaufen sind, sind wir am Abend ziemlich geschafft.

Bei der Planung der Tour beschäftigte uns natürlich auch die Straße, die in den letzten Jahren von Besisahar bis Manang aus- bzw. neu gebaut wurde. Viel ist darüber zu lesen, dass diese Straße (in Wahrheit meist eine üble Piste) die ersten Etappen der Annapurna-Runde zerstört habe. In unseren Augen völliger Unsinn, denn mittlerweile existieren fast überall (mit 'NATT') markierte alternative Wege, die landschaftlich teilweise sogar schöner verlaufen als der "alte" Weg. Und selbst wenn man den einen oder anderen Kilometer auf der Piste läuft, ist das kein Weltuntergang, denn der Verkehr ist überschaubar. Dass sich viele wegen der Diskussionen um die Straße oder um Zeit zu sparen, davon abhalten lassen, auch die ersten Etappen zu laufen, können wir nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Wer diese Etappen auslässt, verpasst viel an tropischer Landschaft, an echtem Dorfleben und natürlich auch an Training und Akklimatisation.

Endlich starten wir in unseren ersten Wandertag, gespannt vor allem darauf, wie wir mit den Rucksäcken zurechtkommen werden. Wir laufen durch unzählige Reisterrassen, passieren kleine Dörfer, in denen auch deshalb wenig los ist, weil viele Wanderer auf der Piste vorbeirauschen. Es geht - wie man es von Nepal kennt und liebt - viel auf und ab, lange Passagen dabei über Treppen. Mittags sind wir schon in Ghermu, am Ortsausgang nehmen wir statt dem Abstieg zur Piste den wunderschönen oberen Weg über Tallo Chipla nach Jagat (blau-weiß markiert), auch wenn der mit zusätzlichen 200 Höhenmetern rauf und runter verbunden ist. Jagat ist kein Schmuckstück, aber zumindest kann man auf der Höhe abends und morgens noch entspannt auf der Terrasse sitzen.

Kurz nach Jagat geht es durch Dschungel hinauf zum wunderschön gelegenen Rainbow Waterfall Hotel. Hätten wir das gestern Nachmittag gewusst, wären wir die knappe Stunde weitergelaufen, um hier in absoluter Ruhe und Abgeschiedenheit zu übernachten. So machen wir zumindest eine kurze Pause und genießen die Aussicht auf den gegenüberliegenden Wasserfall und die tropische Flora (Weihnachtssterne in Baumgröße!) Weiter über Chamyche und Tal, wo wir gern übernachtet hätten. Doch wir kommen schon zu Mittag an, außerdem hat es mittlerweile fast komplett zugezogen und ist ziemlich kühl und windig - schade, nichts mit entspanntem Nachmittag am Flussufer. Weiter also bis Dharapani, auch das kein wirklich schöner Ort. Bis hier kannten wir den Weg zumindest in der Gegenrichtung von unserer Manaslu-Runde 2014, denn deren letzte Etappen sind zugleich dieersten der Annapurna-Runde. Auch wenn wir damals nach drei anstrengenden Wochen nicht mehr ganz so viel Sinn für die Landschaft hatten, wussten wir, dass es sich lohnen würde, diese Etappen noch einmal zu gehen.

Über Nacht haben sich die Wolken fast verzogen, wir starten bei blauem Himmel, was aber leider nicht lange währt. Es bewölkt immer mehr, es wird kalt und zugig. Unsere Pausen fallen deshalb nur kurz aus, dementsprechend früh erreichen wir Chame, unser geplantes Ziel für heute. Weil es einfach zu ungemütlich ist, um den restlichen, noch langen Tag hier zu verbringen, beschließen wir weiterzulaufen. Wir setzen darauf, dass es in Bhratang eine Übernachtungsmöglichkeit gibt; sicher können wir das aus unseren beiden Trekkingführern nicht herauslesen. Nach zwei Stunden, die wir auf der Straße laufen, kommen die ersten Bäume der großen Apfelplantage in Sicht, für die Bhratang bekannt ist. Das dazugehörige Hotel sieht von außen sehr nett aus, wir ahnen aber schon, dass es auch teuer sein wird. Da es jedoch keine Alternative gibt, schlucken wir die Kröte und akzeptieren unfassbare 6000 Rs fürs Zimmer mit Frühstück. Unfassbar deshalb, weil wir bisher für ein Zimmer nichts bis max. 200 Rs. (bei zwei Mahlzeiten) bezahlt hatten. Bei näherer Betrachtung ist der Preis ok, denn Zimmer und Bad sind super, das Wasser ist wirklich warm und vor allem: es gibt eine Heizung!! So verbringen wir einen sehr gemütlichen Abend in unserem Luxuszimmer und sind nicht böse über unsere Entscheidung, nicht in Chame geblieben zu sein.

Am nächsten Tag haben wir dann das Wetter, das man sich für Nepal erhofft. Strahlend blauer Himmel, angenehme Temperaturen, kaum Wind. Schnell schaffen wir den Anstieg nach Dhuker Pokhari; im Rücken der sensationelle Blick auf den heiligen Berg Swargadwari. Den gesamten Tag über sind wir allein unterwegs, denn fast alle Trekker haben in Chame übernachtet und sind deshalb ein paar Stundenhinter uns. Im mittelalterlich wirkenden Upper Pisang genießen wir in aller Stille und mit Blick auf Annapurna II an einer langen Reihe Gebetsmühlen unsere Mittagspause. Ausgeruht nehmen wir den Anstieg nach Ghyaru in Angriff, die 350 Hm sind anstrengend, lassen sich mit den Ausblicken ins Manang-Tal mit dem Marshyangdi-Fluss und dem Tilicho Peak am Ende, auf Pisang Peak und Annapurna II aber verschmerzen. Um im kleinen Dorf Ghyaru zu bleiben ist es noch zu früh, wir laufen auf einem echten Panoramaweg noch weiter bis Ngawal. Die Sonne ist schon untergegangen, als wir nach einem langen, aber unglaublich schönen Wandertag dort ankommen.

Von Ngawal geht es bei nicht mehr ganz so tollem Wetter weiter nach Braga. Hier wollen wir einen Tag bleiben, um den Sidetrip zum Ice Lake zu machen. Wir beziehen Quartier in der Himalayan Lodge, wo es neben sehr leckerem Essen einen wunderbar warmen Aufenthaltsraum gibt. Der Lodge-Besitzer organisiert für uns den Schlüssel zur sehenswerten Gompa, die jetzt im Winter nicht bewohnt ist, die Mönche sind in ihrem Hauptkloster in Kathmandu.

Den Ausflug zum Ice Lake, bei dem es von 3470 m auf über 4600 m geht, starten wir am nächsten Morgen bei gutem Wetter, das sich aber auch heute wieder schnell ändert. Oben angekommen stehen wir fast in den Wolken und sehen wenig vom sensationellen Panorama, das man hier oben haben soll. Entsprechend enttäuscht steigen wir wieder ab und verbuchen den Tag als Erfolg für unsere Akklimatisation. Ganz ohne Gepäck haben wir den langen und teils steilen Aufstieg gar nicht schlimm empfunden, auch die Höhe macht uns kaum Probleme. Beim Aufstehen am nächsten Tag empfängt uns eine hauchdünne Neuschneedecke und ein nahezu wolkenloser Himmel. Deshalb beschließen wir kurzerhand, noch einmal ein Stück den Weg zum Ice Lake zu laufen, um zumindest aus halber Höhe das Panorama zu haben, das uns gestern verwehrt blieb. Weil das Wetter und die Ausblicke einfach unglaublich sind und wir so gut und schnell vorankommen, kann ich nicht anders, als nochmal bis zum Ice Lake zu laufen. Vom nördlichen Ufer des Sees ist heute der Blick frei hinüber zu Annapurna II und III, Gangapurna, Glacier Dome, Grand Barrier und Tilicho Peak. Es hat sich sowas von gelohnt, nochmals aufzusteigen! Jürgen genießt das Panorama derweil ein paar hundert Meter tiefer. Vorm gemeinsamen Abstieg laufen wir noch ein Stück vom Weg ab gen Osten, etwas oberhalb vom Teahouse auf 4200 m geht der Blick hier weit ins Tal zurück, ganz hinten grüßt der Manaslu. Total euphorisch und sehr hungrig (wir sind schließlich ohne Frühstück gestartet) kommen wir gegen eins zurück nach Braga, schlagen uns ein weiteres Mal mit Dal Bhat den Magen voll und genießen eine wohlverdiente Pause in der Sonne, bevor wir das kurze Stück bis Manang laufen.

Auch in Manang wollen wir einen Tag bleiben; im Himalayan Singi Hotel bekommen wir ein (für hiesige Verhältnisse) ganz gemütliches Zimmer mit klasse Aussicht.

Wir haben ungefähr ein Drittel der Annapurna-Runde hinter uns, ein Ruhetag ist verdient. Manang mit etlichen Shops und Bäckereien eignet sich dafür prima.

Ganz ohne laufen geht es für mich aber nicht. Der Ausflug zum Chongkar View Point auf der anderen Flussseite ist bei wenig Aufwand (weil nur 300 Hm höher gelegen) sehr lohnenswert. Unterhalb des Gangapurna-Gletschers hat man freien Blick zurück ins Marshyangdi-Tal und auf den türkisblauen Gletschersee, gegenüber liegt Manang.

Für die nächsten vier Tage verlassen wir die Annapurna-Runde für den Abstecher zum Tilicho-See. Dass der auch der Akklimatisation dient, ist für uns nicht das entscheidende Kriterium, aber natürlich ein angenehmer Nebeneffekt. Der Weg von Manang nach Kangsar ist reines Genusswandern, oberhalb des Marshyangdi geht es fast eben und mit supertollen Ausblicken dahin. Nach Kangsar steigen wir vorbei an der Tara Gompa weiter auf bis Shree Kharka, das letztlich nur aus zwei Lodges besteht. Der Wandertag war relativ kurz, wir kommen schon am späten Mittag an, machen erstmal Momo-Pause und schlendern dann noch ein wenig umher. Wir sind jetzt auf über 4000 Metern, da hilft jede zusätzliche Wanderminute.

Der Plan für den nächsten Tag ist, bis zum Tilicho Base Camp Hotel zu laufen, dort ein Zimmer zu sichern und dann ohne Gepäck weiter zum Tilicho-See und wieder retour zu laufen. Wir lassen uns wie gehabt von Trekkingführern etc. nicht verrückt machen, die behaupten diese Strecke sei an einem Tag - wenn überhaupt - nur bei ganz frühem Start zu schaffen. Das Tilicho Base Camp liegt zwar nur 100 m höher als Shree Kharka; der Weg dorthin verläuft aber natürlich nicht ohne die gewohnten Auf- und Abstiege. Es geht durch eine karge, sehr beeindruckende Landschaft, auf schmalem Weg sind steile Geröllfelder zu queren, stolpern sollte man hier nicht unbedingt.

Wir erreichen das Tilicho Base Camp Hotel nach knapp zwei Stunden, bekommen problemlos ein Zimmer und machen uns nach einer kurzen Pause auf den Weg zum See, auch wenn es mittlerweile ziemlich bewölkt ist. Je höher wir kommen, umso ungemütlicher wird das Wetter, in den letzten Zick-Zack-Kehren haut uns der Sturm manchmal fast um. Die letzte Viertelstunde verläuft zum Glück eben, der Wind hat auch nachgelassen. Am See angekommen sind wir sprachlos, denn auch ohne blauen Himmel und Sonnenschein ist die Farbe einfach unglaublich. Dazu kommt, dass mit uns gerade mal noch drei Leute hier sind. Dass wir von den Bergen rundum recht wenig sehen, trübt die Stimmung nur wenig. Und vollkommen unerwartet reißt der Himmel dann doch auf. Mittlerweile haben wir diesen einzigartigen Ort ganz für uns, jetzt wird von Minute zu Minute auch noch die Aussicht besser - wir können unser Glück kaum fassen! Beim Abstieg begegnen uns sogar noch Blauschafe (die weniger nach Schaf als nach Reh aussehen).

Nach der Übernachtung im ziemlich vollen und lauten Tilicho Base Camp Hotel machen wir uns auf den Rückweg. Wir müssen nicht zurück bis Manang, sondern biegen nach Shree Kharka, wo wir im Himalayan Guesthouse zum Frühstück sehr leckere Chocolate Pancakes hatten, in Richtung Upper Khangsar ab. Das alte Dorf ist verlassen, nur ein paar Viehweiden gibt es hier oben. Bis Yak Kharka sind es dann noch ein langer Abstieg, eine Flussquerung über den Thorung Khola und ein kurzer Anstieg hinauf zum Weg, der von Manang kommt. Nun sind wir wieder auf unserer Runde.

Der letzte Tag vor der Überquerung des Thorung La ist wieder ein relativ kurzer Wandertag; wir laufen nur bis Thorung Pedi, nicht bis zum High Camp. Es ist sicher angenehmer, auf 4520 m statt auf 4890 m zu schlafen, außerdem haben wir vom High Camp nicht viel Positives gehört. Da wir wieder als eine der ersten ankommen, ergattern wir ein gutes Doppelzimmer mit eigenem Bad und können uns entspannt den restlichen Tag vertreiben. Nach einer arg teuren (300 Rs!), aber leckeren Zimtschnecke und einem Stündchen Sonnenbad wollen wir noch etwas laufen. Am Hang gegenüber ist ein Pfad erkennbar, der als Winterweg zurück in Richtung Yak Kharka führt. Den nehmen wir doch. Und was wir damit für einen Glückstreffer landen! Relativ eben gehts eine ganze Weile am Hang entlang, dann steigen wir einfach auf der Wiese bergauf, bis wir einen super Aussichtspunkt "finden". Hier auf 4900 m haben wir neben den schon bekannten Bergen zum ersten Mal auch Sicht auf Annapurna I, ein Wahnsinns-Panorama. Wir haben keine Angst, dass wir uns vor der Passüberschreitung nicht genug ausgeruht haben, im Gegenteil hat uns die gepäcklose Wanderung in der Höhe sicher noch besser akklimatisiert.

Wie üblich vor Pässen oder Gipfeln wird auch am Thorung La empfohlen, noch in der Nacht aufzubrechen. Und wie üblich tun wir das nicht, sondern starten erst in der Dämmerung. Wir können keinen Sinn darin erkennen, in Dunkelheit und Eiseskälte den Berg hochzustolpern. Für uns passt es schlicht besser, ohne große Pausen in kontinuierlichem (wenn notwendig langsamem) Tempo zu laufen; und in der Regel kommen wir trotzdem beizeiten an.

Gestartet kurz nach 6 kommen wir kurz vor 9 Uhr am Pass auf 5416 m an, haben trotz unserer Rucksäcke keine Probleme gehabt und sind deshalb auch ziemlich stolz auf uns.

Fürs obligate Pass-Foto müssen wir uns tatsächlich anstellen, es sind grade ganz schön viele Leute gleichzeitig hier oben. Der Wind pfeift mächtig, kalt und kälter werden die Finger mit jeder Sekunde ohne Handschuhe beim Fotografieren. Ausgestattet mit zwei Daunenjacken halten wir es eine gute halbe Stunde aus - es ist ein großartiges Gefühl, dass wir es aus eigener Kraft und ohne jegliche Probleme bis hier geschafft haben. Dass wir zudem noch Prachtwetter haben, ist das Sahnehäubchen.

Der Abstieg ist ein Spaziergang. Mit jedem Meter wird es wärmer, die Kleidung fällt Schicht für Schicht, bis wir in Chabarbu (4240 m) im T-Shirt beim Mittagessen sitzen. Kaum zu fassen, dass es keine drei Stunden her ist, dass wir schlotternd am Pass standen. Der Blick ins Kali-Gandaki-Tal ist grandios, vor allem der allgegenwärtige Achttausender Dhaulagiri beeindruckt.

Muktinath enttäuscht uns irgendwie, hatten wir doch auf ein oder zwei nette Kneipen gehofft. Doch außer etlichen Guesthouses, keines davon wirklich nett, dutzenden Ständen, die alle die gleichen Schals, Ketten und Armbänder verkaufen, und den üblichen kleinen Shops, wo es kaum mehr als Kekse und Cola gibt, finden wir nichts. Doch zumindest die große Tempelanlage, gleichermaßen Pilgerziel für Buddhisten und Hindus, lohnt einen Besuch.

Die Straße, die seit einigen Jahren durch das Kali-Gandaki-Tal führt, meiden wir in den nächsten Tagen so weit als möglich. Von Muktinath wandern wir über Dzong nach Kagbeni. Auf der breiten Piste sind wir wieder mal allein unterwegs, die anderen Trekker nehmen entweder den Jeep oder laufen auf der Straße. Dabei ist gerade diese Alternativetappe wunderschön, mit dem Dhaulagiri vor Augen läuft es sich sanft bergab fast von allein. Die Landschaft hat sich radikal verändert; wir wandern in einer Mondlandschaft, kein Baum oder Strauch mehr, nur noch Felsen, Staub und Wind - und trotzdem sehr beeindruckend. Kurz vor Kagbeni kommt das Tal in Sicht, das in nördlicher Richtung ins Upper Mustang führt, wir wenden uns gen Süden. (Natürlich wäre es verlockend, ins "verbotene" Königreich abzubiegen, aber 500 USD für das 10-Tages-Permit sind jenseits von Gut und Böse.) 

In Kagbeni hatten wir einen Ruhetag einlegen wollen, doch weder ist der Ort besonders einladend noch brauchen wir körperlich unbedingt eine Pause. Weil es bis Jomson keine Alternative zur Straße gibt, teilen wir uns mit zwei Mitwanderern einen Jeep und sparen uns so zwei staubige Stunden. Von Jomson geht es auf der östlichen Flussseite weiter nach Marpha. Ab dem Mittag fegt regelmäßig ein heftiger Wind durchs Kali-Gandaki-Tal, manchmal so arg, dass man Mühe hat, auf den Beinen zu bleiben. Wir kämpfen uns tapfer durch, denn von Marpha, quasi Hauptstadt des Apfels, haben wir viel Nettes gelesen. Ob es daran liegt, dass wir gegen Ende der Saison unterwegs sind oder weil viele Trekker die Etappen ab Muktinath/Jomson abkürzen, der Ort ist jedenfalls nahezu ausgestorben. Außer drei Lodges und ein paar kleinen Shops ist alles geschlossen, was eine etwas trostlose Stimmung erzeugt. Auch das also leider kein Ort für einen Ruhetag.

Die nächste Etappe nach Kalopani beginnen wir wieder abseits der Piste auf der Ostseite des Flusses. Der Weg über Chimang Gaun führt durch Wiesen mit Apfelbäumen und Gemüse-Felder und kostet zwar ein paar zusätzliche Höhenmeter, lohnt sich aber sehr, denn von hier hat man einen super Blick auf den Dhaulagiri. Um nach Tukuche zu kommen, müssen wir den Fluss überqueren, was in der Trockenzeit eigentlich problemlos möglich sein sollte. Nicht so in diesem Jahr; alle kleinen Brücken sind weggeschwemmt, auf Steinen rüberzukommen oder gar durchzuwaten, ist illusorisch. Es bleibt uns nichts übrig, als wieder retour zu laufen und die Hängebrücke zwei Kilometer vor Tukuche zu nehmen. Zum Trost gibt es lecker Apfelkuchen in der Dutch Bakery.

Weil wir auch nach Tukuche nicht wieder über den Fluss zum Alternativweg kommen, müssen wir auf der Piste bleiben, was aber gar nicht schlimm ist, denn im Moment müssen die Fahrzeuge ins Flussbett ausweichen, weil an der Piste weiter gebaut wird. Hinter Larjung erwischt es uns wieder: ein Riesenumweg, weil wir im Flussbett ein Stück Straße abkürzen wollen, letztlich aber nicht über den Fluss kommen. So werden aus 6 Stunden und 20 km für diese Etappe am Ende 8 Stunden und 26 km. Entsprechend k.o. kommen wir in Kalopani an.

Im Flussbett fährt sich's offenbar ganz wunderbar.

Von Kalopani bis Ghasa wollen wir den Bus nehmen, denn es gibt keine Ausweichmöglichkeit und auf der Straße zu laufen, ist bei dem Verkehr kein Vergnügen. Die Piste ist aber dermaßen übel und das Busfahren eine echte Qual, sodass wir früher aussteigen als geplant und lieber ein wenig Staub schlucken. Hinter Ghasa können wir dann wieder auf die andere Flussseite wechseln und den ruhigen, wunderschön angelegten Weg nehmen. Mittlerweile laufen wir wieder durch dichtes Grün, vorbei an Kakteen und Bananenstauden. Wie schnell hier die Vegetation wechselt ist unglaublich. In Tatopani gönnen wir uns dann den schon längst geplanten und verdienten Ruhetag. Wir haben ein richtig nettes Zimmer, genießen den Tag in der Sonne und tun wirklich mal nichts!

Nach dem Ruhetag geht's richtig zur Sache. Kurz nach Tatopani beginnt der Anstieg über Ghara nach Sikha, nach der Mittagspause laufen wir weiter immer bergauf bis Ghorepani. Der Weg führt durch einige schöne Dörfer, hier sieht man viel echtes nepalesisches Landleben. 1800 Meter Aufstieg sind für einen Tag sehr ordentlich, über Treppen, mit Rucksack und in der prallen Sonne wird's heftig. Wie gewohnt laufen wir fast durch, uns liegen viele kleine Pausen einfach nicht. Die letzte Stunde zieht sich arg, vor allem weil die Sonne schon weg ist und es gleich ziemlich kühl wird.

Motto des Tages: Treppen, Treppen, Treppen

 

In Ghorepani angekommen ist die Zimmersuche schnell erledigt und ich entschließe mich kurzerhand, noch zum Poon Hill aufzusteigen. Ohne Gepäck läuft es sich locker-leicht die 300 Meter aufwärts, auch wenn die Beine nach diesem Tag nicht mehr ganz frisch sind. Den sehr sehr bekannten Aussichtspunkt sollen zum Sonnenaufgang wahre Menschenmassen bevölkern, das wollen wir uns nicht antun. Jetzt am späten Nachmittag bin ich natürlich auch nicht allein, das tut dem Wahnsinns-Panorama oben aber keinen Abbruch.

Die Aussicht auf Sechs-, Sieben- und zwei Achttausender ist phänomenal. Es wäre eine Schande gewesen, das zu verpassen - Leute hin oder her.

Von Ghorepani laufen wir weiter Richtung Ghandruk; die Idee ist noch, den Trek zum Annapurna Base Camp anzuhängen. Wobei wir uns in den letzten Tagen das ein oder andere Mal gefragt hatten, ob wir dazu wirklich noch Lust haben. Die tägliche Kälte ab Sonnenuntergang, dazu ständig kaltes Wasser und ungeheizte Räume machen uns langsam mürbe. Bis Ghandruk können wir die Entscheidung noch offen lassen. Beim Aufstieg nach Deurali hat man ähnlich schöne Ausblicke wie vom Poon Hill, aber auch hier sind ziemlich viele Leute unterwegs. Der Poon Hill Trek mit nur vier Tagen und einer max. Höhe von 3200 m ist vor allem bei asiatischen Touristen sehr beliebt. Wenig akklimatisiert und entsprechend keuchend sind denn auch die meisten unterwegs. Die Auf- und Abstiege haben es noch einmal in sich, auch heute führt der Weg wieder viel über steile Treppen. Ghandruk wirkt sehr aufgeräumt, aber irgendwie hatten wir auf etwas mehr Leben gehofft. Zumindest unsere Lodge ist sehr schön.

Der Wetterbericht für die kommende Woche ist wenig verheißungsvoll, und weil wir eh' nicht mehr richtig überzeugt waren, den ABC-Trek anhängen zu wollen, heben wir uns den fürs nächste Mal auf. Die Strecke dorthin verspricht wenig Neues gegenüber dem, was wir in den letzten Wochen hatten. Wir haben wenig Lust, zwei oder drei Tage durch Wald in einem engen Tal zu laufen, um dann im ABC bei bewölktem Himmel die Berge nicht zu sehen. Dass wir Kälte und ungemütliche Unterkünfte satt haben, spielt auch eine Rolle. Als dann noch das Umbuchen des Rückflugs auf ein früheres Datum zu einem vernünftigen Preis möglich ist, ist die Entscheidung getroffen. Zufrieden machen wir noch einen Tag Pause in der Sonne in Ghandruk, bevor es am letzten Wandertag die paar Stunden abwärts bis Nayapul geht. Von hier nehmen wir den Bus nach Pokhara, und dann war's das mit Wandern.

Hinter uns liegen 22 Tage, 19 davon Wandertage, etwa 300 km und rund 17000 Hm. Vom tropischen Dschungel über karge Felswüste bis zu Eis und Schnee hatten wir alles, wir waren in Höhen zwischen 900 und 5420 m unterwegs, der Wettergott war uns bis auf wenige Tage wohlgesonnen und Dal Bhat und Momos behalten wir auch von dieser Tour in bester Erinnerung. Wir haben keine Sekunde bereut, ohne Guide und/oder Träger unterwegs zu sein, es war im Gegenteil ein richtig gutes Gefühl, den Rucksack selbst zu tragen.

Negativ haben wir empfunden, dass im Vergleich zu unseren früheren Treks deutlich mehr Müll auf und neben den Wegen liegt; vor allem auf den Strecken, die stark von einheimischen Touristen frequentiert werden (Tilicho-See). Wie achtlos Plastikflaschen, Chipstüten und sonstiger Scheiß in die Landschaft geworfen werden, ist erschreckend. Und obwohl die Gebühr für das Trekking im Naturschutzgebiet ordentlich ist, scheint von Seiten der Behörden (abgesehen von ein paar Löchern zur Abfallentsorgung neben dem Weg)nichts gegen das Problem getan zu werden. Auch die Lodgebesitzer, die gut am Trekkingtourismus verdienen, haben kein Bewusstsein dafür.

Wir können uns im Moment schwer vorstellen, wie sich das Thema weiterentwickeln wird bzw. wie es sich zum Besseren wenden könnte. Es ist jedenfalls mehr als frustrierend zu sehen, wie mit dieser einzigartigen Natur umgegangen wird - und das in aller Regel nicht durch den "klassischen" Nepal-Trekker.

In Pokhara genießen wir unser wunderbares Hotelzimmer, die ständige Verfügbarkeit einer ordentlichen Toilette und warmen Wassers, essen mal was anderes als Dal Bhat und trinken was anderes als Tee, streifen durch die unzähligen Läden mit Kleidung, Schmuck und sonstigen Souvenirs und tun ansonsten wenig bis nichts. Die üblichen Tagesausflüge zur World Peace Pagode oder nach Sarankot hatten wir beim letzten Besuch schon gemacht.

Auch wenn es weniger als 200 km bis Kathmandu sind, benötigt der Bus fast acht Stunden. Aber das wussten wir vorher. Wir beziehen wieder Quartier im ruhigen Nepal Cottage Resort. Die Stadt ist im Vergleich zu unserer Ankunft während Diwali nahezu leer; wir haben mittlerweile Dezember und es sind auch deutlich weniger Touristen da. Wir haben noch zwei Tage Zeit, wir fahren zum Durbar Square in Patan und nach Bhaktapur, und auch hier sind wir entsetzt über die Erdbebenschäden. Nur der große Stupa von Bodnath strahlt wieder in alter Pracht.

Nach viereinhalb Wochen, mit unzähligen Bildern im Kopf und auf den Kameras und vor allem mit dem guten Gefühl, unsere Wanderung so prima gemeistert zu haben, verlassen wir Nepal. Nicht nur weil wir das Annapurna Base Camp nicht besucht haben, werden wir wohl noch einmal wiederkommen "müssen". Nachdem wir nun zum dritten Mal durch riesige Rhododendronwälder gelaufen sind, ohne eine einzige Blüte zu sehen, müssen wir uns wohl auf das Frühjahr verlegen. Die Kombination von ABC-Trek und Blumen klingt verlockend.

 

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