Nach unserem Trekking im Khumbu war für uns sonnenklar, dass wir zum Wandern nach Nepal wiederkommen wollen. Im November 2014 hatten wir mit der Manaslu-Runde eine Route gefunden, die landschaftlich reizvoll, anspruchsvoll und trotzdem nicht zu überlaufen ist und die als Lodgetrekking möglich ist. Mit dem zusätzlichen Abstecher ins Tsum Valley würden wir zudem noch eine buddhistisch geprägte Region erwandern.
Wir sind wieder mit Guide und Träger unterwegs; diesmal aber nur zu zweit, denn unsere Khumbu-Mitstreiter lassen sich leider nicht überreden, nochmal dabei zu sein. Nach der guten Erfahrung mit unserer eigenen Zweier-Reisegruppe bei der Kilimanjaro-Besteigung entscheiden wir uns auch für Nepal für diese Variante. In Kathmandu planen wir kaum Aufenthalt ein, die Stadt haben wir 2011 schon ausgiebig erkundet. Außerdem endet unsere Manaslu-Runde in Pokhara, so dass wir lieber dort
ein paar Tage verbringen wollen. Wir buchen unseren Trek bei nepalwelt-trekking, die Betreuung hier in Deutschland und auch vor Ort ist individuell und unkompliziert. Wir haben unsere Tagesetappen von vornherein wieder so mitbestimmt, dass wir pro Tag zwischen sieben und acht Stunden unterwegs
sind. Uns liegen die kurzen Gehzeiten, die viele Touranbieter ansetzen, einfach nicht.
Wir wissen mittlerweile sehr gut, wie lang wir gehen können und was Höhenmeter bedeuten und auch, wie wir in größeren Höhen zurecht kommen. Entsprechend sieht unser Tourplan aus, wir sind 17 Tage unterwegs, einen Ruhetag haben wir erstmal nicht vorgesehen.
Mit dem Jeep fahren wir von Kathmandu bis Arughat, von dort mit einem Minibus weiter bis Soti Khola. Dass die Bus-Variante schneller ist, kann man bezweifeln, denn die Piste ist wirklich übel. Es macht aber auch wenig Sinn zu laufen und sich alle paar Minuten von oben bis unten einstauben zu lassen. Also ein erster Wandertag ohne Wandern, dafür mit einer abenteuerlichen Anreise.
Wir starten in Soti Khola auf 700 m Höhe und damit in subtropischer Vegetation. Ähnlich wie beim Jiri-Trek vor drei Jahren sind wir in den ersten (und in den letzten Tagen) in bewohnter Gegend unterwegs, passieren Dörfer, Reis-, Weizen- und Hirsefelder, sogar Bananenstauden begegnen uns. Hier erleben wir den einfachen Alltag der Nepali auf dem Land, die meisten arbeiten auf ihren Feldern oder sind
mit ihren Tieren beschäftigt. Die paar Touristen, die unterwegs sind, tragen zumindest bei Lodge- und Teahousebesitzern zu einem besseren Einkommen bei.
Der Weg verläuft in stetem Auf und Ab oberhalb des Buri Gandaki, für die nächsten Tage unser steter, rauschender Begleiter. Dementsprechend haben wir auch immer wieder das Vergnügen von (mal mehr, mal weniger vertrauenerweckenden) Hängebrücken. Unseren ersten echten Wandertag beenden wir in Machakhola, zum Abendessen sitzen wir noch bei angenehmen Temperaturen auf der Dachterasse. Da wir wissen,
dass das nicht mehr lange so bleiben wird, genießen wir die umso mehr.
Von Machakhola geht es am nächsten Tagen nach Jagat: wieder durch kleine Dörfchen mit netten Begegnungen, wieder auf und ab am Fluss entlang, wieder im Warmen und Grünen. Nach den ersten zwei Tagen haben wir ca. 2000 m Aufstieg und ca. 1300 m Abstieg hinter uns, sind aber grade mal 600 m höher als beim Start. So ist das in Nepal..
Am Mittag des dritten Tages verlassen wir die Manaslu-Runde für unseren Sidetrip ins Tsum Valley. Erst seit 2008 steht das von Tibetern besiedelte Hochtal Ausländern offen. Die buddhistischen Traditionen sind hier noch sehr lebendig. Wegen der Abgeschiedenheit dieses heiligen Tals und seiner religiösen Bewohner ist eine einzigartige Kultur erhalten geblieben, die in den zum Teil mehrere Jahrhunderte alten
Klöstern noch gelebt wird. Bis heute wandern nur wenige Touristen in das von Sechs- und Siebentausendern umgebene Tal. Wir wissen, dass die Unterkünfte hier noch einfacher sind, darauf lassen wir uns aber gern ein. Hinter Philim begeben wir uns auf einen steilen Aufstieg durch Kiefernwald und Bambus hinauf nach Lopka (1900 m) am Eingang ins Tsum Valley.
Der weitere Weg führt durch dichten subtropischen Bergurwald mit Bambusgewächsen in die enger werdende Schlucht des Syar Khola, dann steigen wir nach Chumling (2265 m) auf, wo wir unsere wohlverdiente Mittagspause in herrlichem Sonnenschein einlegen. Immer öfter treffen wir nun auf Mani-Mauern, Chörten und Gebetsfahnen. Nach einem letzten steilen Aufstieg über 600 Höhenmeter erreichen wir
Chhokungparo (3085 m), den Übergang ins Obere Tsum Valley.
Auf bekanntem Weg wandern wir wieder hinunter nach Nile. Im Homestay beziehen wir ein (so weit das hier möglich ist) gemütliches Zimmer und verbringen einen ruhigen Nachmittag und Abend.
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Mit vielen neuen Eindrücken verlassen wir das Tsum Valley, wir haben mit und in dieser entlegenen Region eine ganz neue Welt entdeckt.
Es geht zurück auf die Manaslu-Runde, durch Nadelwälder zunächst bis zum buddhistisch geprägten Weiler Deng, wo wir uns in der Lodge sogar eine heiße Dusche gönnen können. Der nächste, relativ kurze Wandertag bringt uns nach Ghap, wo am Ortseingang wahre Wunderwerke an Mani-Steinen aufgereiht sind. Durch Pinien-, Rhododendron- und Bambuswälder steigen wir weiter auf bis Lihi; die Mittagspause nutzen wir
zum ausgiebigen Beobachten des Lebens in diesem kleinen Dorf, incl. einer kleinen Einführung in die Digitalfotografie für ein paar neugierige Kinder. Je näher wir dem nächsten Etappenort Lho kommen, umso spektakulärer werden die Ausblicke - Manaslu, Manaslu Nord und Himal Chuli rücken am Talende in den Blick. In Lho (3180 m) machen wir am Nachmittag noch einen kleinen Spaziergang durchs Dorf, immer wieder begegnen uns neugierige Kinder. Den grandiosen Blick auf den
Manaslu bekommen wir am nächsten Morgen zum Frühstück im Garten unserer Lodge bei strahlendem Sonnenschein serviert.
Vorbei an Shyala mit spektakulärem Blick auf Manaslu etc. laufen wir bis zum Abzweig zum Sidetrip zur Pung Gyen Gompa (4180 m), direkt unterhalb des Manaslu. Vom Kloster selbst ist nicht viel übrig, es wurde 1953 von einer Lawine zerstört - kurz nachdem der Berg zum ersten Mal bestiegen wurde. Das Panorama und die Atmosphäre hier oben sind den Abstecher auf jeden Fall wert.
Zurück auf dem Hauptweg ist es bis zum Etappenort Samagaun nicht mehr allzuweit. Wir kommen bei tiefhängenden Wolken an, das macht den Ort nicht sonderlich freundlich. Am nächsten Morgen bei Sonnenschein und blauem Himmel wirkt das schon wieder ganz anders, und bevor wir weiterwandern, bekommen wir bei einem Spaziergang durch das große Dorf guten Einblick in das sehr einfache und sicher harte
Leben der Einheimischen. Anzuschauen und zu fotografieren ist so ein Ort pittoresk; was es bedeutet, hier zu leben, können wir Mitteleuropäer uns nicht im Ansatz vorstellen.
Wir wandern durch das sich weitende Tal weiter nach Samdo (3880 m), dem letzten Dorf vor der Passüberschreitung. Wir kommen früh an, die Lodge ist nicht wirklich gemütlich, also nutzen wir die verbleibenden Stunden mit Sonne und Wärme, schlendern durchs Dorf und steigen ein paar hundert Meter die Hügel hinter dem Dorf hinauf.
Am Morgen hat sich die Sonne noch nicht über die Berge gekämpft, als wir loswandern. Entsprechend frisch ist es - wie immer, wenn beim Trekking in Nepal die Sonne fehlt. Weiter aufwärts führt der Weg entlang des Larkya Gletschers an der Nordflanke des Manaslu. In Dharamsala (4480 m) erreichen wir schon vor dem Mittag den höchsten Schlafplatz auf dieser Tour. Auf der Hochalm stehen nur ein paar Schutzhütten
und dauerhaft aufgebaute Zelte. Wir entscheiden uns - auch auf Empfehlung unseres Guide - für ein Zelt. Noch ist die Vorstellung, in der Höhe bzw. bei den Temperaturen im Zelt zu schlafen, etwas abstrakt. Wir genießen erst einmal Sonne und süßes Nichtstun, bevor wir am Nachmittag zur Akklimatisierung und um etwas zu tun zu haben, auf einen Aussichtsberg (4910 m) hinter dem Camp steigen - gegenüber liegen Manaslu & Co. gefühlt fast auf Augenhöhe.
Auch dieses Mal haben wir uns durchgesetzt und brechen nicht schon in der Dunkelheit zur Passüberschreitung auf. Jedes Mal wieder ist es uns ein Rätsel, warum sich die Leute das einreden lassen. Die Nacht im Zelt war frisch, aber doch weniger schlimm als befürchtet. In Anbetracht der Höhe haben wir gut geschlafen und gehen ausgeruht in diesen anstrengenden Tag. Der Weg führt zunächst über die Seitenmoräne
des Larkya-Gletschers, ehe es über Schnee- und Firnhänge in den Pass geht. Schon halb zehn stehen wir auf dem 5135 m hohen Larkya La.
Nach einem so anstrengenden und ereignisreichen Tag wäre ein gemütlicher Abend in der Lodge der richtige Abschluss. Aber gemütliche Atmosphäre und Trekking-Lodges in Nepal (zumindest in unserer Preiskategorie) schließen sich leider aus. So sitzen wir wieder im großen ungeheizten Aufenthaltsraum auf recht unbequemen Holzbänken, außer uns Touris macht keiner die Tür zu, und trinken
literweise heißen Tee oder heiße Zitrone. Nach viel Bettelei wird zumindest der Bollerofen angeworfen - aber natürlich erst nach 18 Uhr - und dann sitzen zehn Leute im Kreis drum herum und haben zumindest eine heiße Vorderseite. Kommt man dann ins Zimmer, bleibt als einzige Möglichkeit der sofortige Sprung in den Schlafsack, auch wenn es erst 20.00 Uhr ist. Mit all diesen Umständen muss man beim Trekking in Nepal leben; und nicht nur ein Mal fragt man sich, a) warum tue ich mir das an (was sich beim Blick
auf den nächsten Sieben- oder Achttausender beantwortet) und b) warum bekommen es die Lodgebesitzer einfach nicht hin, außer Tee, einer warmen Mahlzeit und einer rudimentären Schlafgelegenheit wenigstens einen Hauch Behaglichkeit zu schaffen. Sich am Ende eines Wandertages wohlfühlen zu wollen, hat nichts mit Luxus zu tun. Natürlich ist Heizen mit Yakdung (mit entsprechend Qualm) oder mit Holz, das es in der Höhe kaum mehr gibt, ein Problem, mit Solarenergie ließe sich doch aber
viel machen. Es fehlt wohl einfach auch am Bewusstsein dafür (und am Interesse daran?), was für einen Mitteleuropäer wichtig oder angenehm sein könnte. Dass man sich auch innerhalb von Häusern nur mit Daunenjacke und Mütze bekleidet aufhält, ist für die Einheimischen eben normal. Aushalten lässt sich das alles natürlich - man sollte sich über diese (Begleit)Umstände nur vorher im Klaren sein.
Wir steigen weiter ab durchs Tal des Dudh Khola. Es wird wieder deutlich wärmer, wir durchqueren ganze Rhododendronwälder, leider ohne Blüten - dafür müssten wir im Frühjahr hier sein. Wir übernachten in Tilije (2300 m), dem letzten Ort auf der ruhigen Manaslu-Runde.
In Dharepani stoßen wir auf die Annapurna-Runde, die Ortschaften werden gößer, die Lodges zahlreicher. Der Weg ist weit davon entfernt, überfüllt zu sein, auch wenn wir nun mehr Leuten begegnen. Auf der neu gebauten Straße könnte man von hier mit dem Jeep das Tal rausfahren, wir wollen aber noch ein paar Kilometer laufen. Die Straße versuchen wir dabei zu meiden, was meist gut möglich ist. Über den
wunderschönen Ort Tal, direkt am Fluss gelegen, geht es weiter abwärts durch das grüne Marsyangdi-Tal. Die Vegetation wird tropischer, und sogar Affen begegnen uns.
Der letzte Trekkingtag ist kein vollständiger mehr, wir laufen noch bis Syange, nehmen einen Jeep bis Bhulbule und laufen dann nochmal bis Besisahar. Der Ort kommt uns nach der Abgeschiedenheit der letzten Tage laut und überfüllt vor. Wir hatten auf einen netten Ausklang ähnlich dem in Lukla gehofft, finden aber keine Kneipe und erst recht keine coole Bar. Gut, dann geht der Trek eben ohne Trinkgelage zu
Ende. In der Bilanz stehen am Ende 17 Trekkingtage, irgendwas zwischen 200 und 250 gelaufenen Kilometern und insgesamt 14865 m Aufstieg und 13991 m Abstieg. Ganz ordentlich.
In Pokhara genießen wir in aller Ausgiebigkeit unser schönes Zimmer im Lake View Resort, das eigene Bad mit heißer Dusche und Cafes, Restaurants und Läden ohne Ende. Doch ganz ohne Wandern kommen wir nicht aus: Wir drehen eine große Runde von Sarangkot, dem Hausberg und Aussichtspunkt Nr. 1, über Kotmanlo wieder hinunter zum See nach Pame und mit langem Rückmarsch am Seeufer entlang nach Pokhara.
Unser letzter Ausflug führt uns hinauf zur World Peace Pagode, einem buddhistischen Tempel hoch über dem See.
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Der Rest ist unspektakulär: lange Rückfahrt nach Kathmandu, noch ein bisschen Souvenirshopping, ein letztes Mal Momos essen. Dann geht der Flug über Istanbul nach Hause.
Wir haben ereignisreiche Wochen hinter uns, sind sehr froh und dankbar, dass wir auch dies Mal alles ohne gesundheitliche Blessuren erleben durften und dass wir auch wieder unglaubliches Wetterglück hatten. Der Manaslu-Trek, vor allem der Sidetrip ins Tsum Valley, waren ein besonderes Erlebnis, selbst wenn die Berge im Khumbu noch beeindruckender sind. Auch bei dieser Abreise sind wir uns ziemlich sicher,
dass wir wiederkommen werden. Wir müssen nur gut überlegen, welche Routen uns nach Khumbu und Manaslu/Tsum nicht enttäuschen werden.
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