Schon länger hatten wir uns mit der Idee einer echten Trekkingtour beschäftigt, Nepal kam uns dabei natürlich (auch) in den Sinn. Als wir in Iris und Oli mehr oder minder zufällig zwei ideale Reisepartner fanden, konnte die Idee endlich in echte Planung übergehen. Mit Iris' einziger "Bedingung", dass die Tour das Everest Base Camp einschließt, hatten wir kein Problem. Zum Zeitpunkt des
gemeinsamen Entschlusses nach Nepal zu fliegen, waren wir noch relativ offen, welche Tour wir gehen wollen, hatten das Khumbu, die Region um den Sagarmatha-Nationalpark mit etlichen Achttausendern, darunter Mount Everest, Lhotse und Cho Oyu, aber schon ein wenig favorisiert. Das letztendliche Wohin stand also fest, jetzt mussten wir "nur" noch das Wie festlegen: Einfliegen nach Lukhla oder langsames Einwandern vom letzten motorisiert erreichbaren Dorf Jiri aus. Da wir uns
für die Reise insgesamt vier Wochen Zeit nehmen konnten, alle vier gern viel wandern wollten und uns außerdem die Annäherung an diese unfassbare Gegend zu Fuß passender erschien, war auch die Entscheidung für die Anreise schnell gefallen. Wir würden von Jiri aus in einer Woche ins Khumbu hineinlaufen und uns damit gleichzeitig eine gute Akklimatisierung verschaffen. Iris und Oli als Ausdauerläufer (http://ultrarunners.de/) und wir als nicht unerfahrene
Wanderer hatten trotz allem, was wir bisher gemacht hatten, großen Respekt vor unserer Unternehmung. Jeden Tag an die acht Stunden zu wandern, dabei Unmengen an Höhenmetern auf und ab zu bewältigen und schließlich in Höhen über 5000 Meter vorzudringen, ist doch eine andere Kategorie als unsere bisherigen Touren. Vor der Höhe hatten zumindest wir beide keine Angst; aus unserer Zeit in Südamerika waren wir recht sicher, damit keine großen Probleme zu haben, wenn wir uns nur entsprechend akklimatisieren.
Mit der Route Jiri - Namche Bazaar und der 3-Pässe-Tour im Khumbu mit Überschreitung des Kongma La, des Cho La, des Renjo La und einem Abstecher zum Kalar Patar und EBC entscheiden wir uns für eine anspruchsvolle Tour. Die Tagesetappen hatten wir mithilfe des Lonely Planet-Trekking-Guides und stundenlanger Internetrecherchen zusammengestellt, jetzt mussten wir noch eine Agentur
finden, die all das genau so umsetzt. Wir hatten zwar vier Wochen Zeit, wollten die Tour dennoch vorabbuchen, um in Kathmandu nicht unnötig Zeit zu vertrödeln. Auch wenn sich so vermutlich ein paar Euro hätten sparen lassen, war uns diese Variante lieber. Mit Henkalaya waren wir letztlich bezüglich Preis, Betreuung, Orga etc. sehr zufrieden. Wir würden nach der Ankunft in Kathmandu einen Sightseeing-Tag einlegen, dann nach Jiri fahren, von dort aus auf unsere 21-Tage-Trekkingtour gehen,
von Lukla zurückfliegen und am Ende nochmal zwei Tage in Kathmandu verbringen. So weit der (sehr gut klingende) Plan.
Am 6. November geht es also mit viel Gepäck via Delhi nach Kathmandu, der Flug mit Air India ist kein Highlight, aber in Ordnung. Am kleinen Flughafen in Kathmandu werden wir abgeholt, und schon auf der Fahrt ins Hotel Greenwich Village erschlägt uns die Stadt mit ihrem Lärm und Verkehrschaos. Wir sind froh, dass das Hotel nicht das simpelste ist und etwas ruhiger abseits der Touristenviertel
im Stadtteil Patan liegt; vor allem nach der Trekkingtour werden wir das zu schätzen wissen.
Der Sightseeing-Tag startet mit Swayambunath, ein Tempelkomplex auf einem Hügel oberhalb von Kathmandu, der buddhistische und hinduistische Elemente vereint und wegen der Horden dort lebender Affen auch Affentempel genannt wird. Gesäumt von bunten Figuren und Mani-Steinen führen 365 Stufen hinauf zum ältesten Stupa Nepals und einer der ältesten buddhistischen Tempelanlagen der Welt.
Wir stehen zum ersten Mal vor einem Stupa, drehen Gebets-mühlen, riechen den typischen Räucherstäbchen-Duft und begegnen buddhistischen Mönchen. Wir sind tief beeindruckt. Dann geht es weiter zum Hanuman-dhoka Durbar Square, wir laufen ohne festes Ziel durch die Gassen, vorbei an Tempeln, Pagoden und zahllosen Souvenirständen; sind dabei, als sich die Kumari zeigt, die angeblich letzte lebende Inkarnation einer hinduistischen Gottheit. Überall ist es laut, voll, irgendwie fremd und gleichzeitig faszinierend.
Diese Stadt ist das pralle Leben. Am Nachmittag besichtigen wir Patan, von den Einheimischen Lalitpur genannt, die schöne Stadt. Wieder Tempel und Paläste, sogar noch schöner und eindrucksvoller als in Thamel. Die Eindrücke sind für einen Tag fast schon zu viel.
Für die Fahrt von Kathmandu nach Jiri brauchen wir den gesamten nächsten Tag, auch wenn es nur knapp 190 Kilometer sind. Vor allem, nachdem wir in Khadichaur vom Araniko Highway, der weiter zur chinesischen Grenze führt, abgebogen sind, geht es trotz geteerter Straße nur noch mühsam voran.
Gleichzeitig steigen Spannung und Vorfreude mit Blick auf die Himalaya-Gebirgskette erheblich.
Am Abend also Jiri, unser erster Eindruck von einem nepalesischen Dorf und den Guesthouses, die in den nächsten Wochen unsere Übernachtungslocation werden. Die Daunenschlafsäcke sind angesichts der Höhe von 1800 Meter noch leicht übertrieben, wirklich warm ist es nachts aber auch hier "unten" nicht.
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Am 10. November starten wir nach einem mehr als ausgiebigen Frühstück - Anfängerfehler, zu viel bestellt - und ausgestattet mit einem Gebetsschal als Glücksbringer unsere Tour. Unsere "Begleitmannschaft" sind Rai, der Guide, und die beiden Träger Ram und Kobi. Gleich am ersten Wandertag steht uns das muntere Auf und Ab bevor, das wir die nächsten Tage lieben lernen werden. Die Bergketten
und Flusstäler verlaufen von Nord nach Süd, der Weg dagegen läuft von West nach Ost - es wird also zwangsläufig eine Berg-und-Tal-Wanderung. Wir wandern durch einen Garten Eden, nie im Leben hätten wir in Nepal so viel Grün erwartet. Wir passieren kleine Dörfer und benutzen die Wege, die für die Leute hier die einzige Chance sind, von A nach B zu kommen. So abgedroschen es im Reiseführer klingt, wir erleben in diesen ersten Tagen ein sehr unverfälschtes Nepal.
Bis zum ersten Zielort Deurali (2705 Meter) haben wir knapp 1500 Höhenmeter hinter uns. Sete, der zweite Etappenort, liegt mit 2520 Metern sogar etwas niedriger, trotzdem haben wir am Abend 1120 Höhenmeter in den Beinen. 'Nepali flat' in Reinkultur. Am dritten Tag verlässt uns das Wetterglück, bis hierher waren wir bei Sonnenschein und wolkenlosem Himmel unterwegs und hatten tagsüber deshalb ordentlich
geschwitzt. Nun hat es über Nacht zugezogen, ab jetzt wandern wir unter dicken Wolken, teilweise sogar durch Nebel - von den Bergen sehen wir erst einmal nichts mehr.
Auf dem Weg nach Junbesi (2680 Meter) müssen wir über den Lamjura Bhanjyan, der Pass ist mit 3530 Metern die höchste Stelle des Treks Jiri-Namche; Tagesleistung wieder gut 1100 Höhenmeter. Oberhalb von Junbesi hätten wir - würde das Wetter mitspielen - einen ersten Blick auf den Everest; wir sehen leider: nichts. Fast nichts, denn die Wirtin unserer Mittagslodge zeigt uns auf einer abgegriffenen Postkarte den
Blick auf den Berg. Offenbar scheinen hier öfters Touristen von den Wolken enttäuscht zu sein. Da wir mit Laufen gut beschäftigt sind und außerdem wissen, dass die richtig guten Ausblicke noch kommen, machen wir uns vorerst keine Sorgen. Wir passieren das Kloster Trakshindu Gompa, wo in einer etwas skurrilen Zeremonie gerade die Teilnehmer des Solu-khumbu Trailruns gesegnet werden. Wir übernachten in Nunthala (oder Manidingma genannt, 2220 Meter), an dem Tag erreichen wir bei den
Höhenmetern nicht mal die 1000er-Marke; fast sind wir enttäuscht. Dafür machen wir auf der nächsten Etappe nach Puiyan (2770 Meter) ordentlich Strecke und Höhe. Als wir am späten Nachmittag im Regen ankommen, haben wir gut 1500 Höhenmeter hinter uns. Wir nähern uns nunmehr Lukla und damit der gängigen Route der Khumbu-Trekker. Bisher hatten wir nur wenige Wanderer getroffen, in den Lodges waren wir manches Mal sogar allein. Das würde sich nun ändern. Wir lassen Lukhla rechts liegen, erst für den Rückflug
werden wir dorthin kommen; auf dem Hinweg gibt es keine Notwendigkeit für einen Stop. Über Surkhe und Cheplung erreichen wir - im Regen - Phakding. Der relativ große Ort mit etlichen Lodges und Shops gefällt uns irgendwie gar nicht. Es mag auch daran liegen, dass wir langsam die Nase voll haben von Wolken und Regen und dass hier eine ganz andere Atmosphäre herrscht als in den Dörfern, in denen wir bisher übernachtet hatten.
Wir folgen weiter dem Tal des Dudh Kosi, den wir auf teilweise sagenhaften Hängebrücken überqueren. In Monjo betreten wir offiziell den Sagarmatha National Park, und ab Jorsale geht es dann nur noch aufwärts, 600 Meter steiler Aufstieg bis zum Etappenziel Namche Bazaar auf 3420 Meter. Erschöpft und sehr glücklich kommen wir dort am Nachmittag an, gönnen uns sogar ein Zimmer mit eigenem Bad und warmer Dusche. Was
für ein Luxus nach sieben Tagen.
Seit unserem Aufbruch in Jiri vor sieben Tagen haben wir ca. 120 Kilometer zurückgelegt, wir sind insgesamt ca. 55 Stunden gelaufen, haben 8300 Meter Aufstieg und 6600 Meter Abstieg hinter uns.
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In Namche legen wir einen Ruhetag ein, der seinen Namen eigentlich nicht verdient. Zur Akklimatisierung (und damit wir das Laufen nicht verlernen) wollen wir zur Everest View Lodge und zum Dorf Khumjung oberhalb von Namche aufsteigen. Was sind wir glücklichh, als wir beim Aufwachen die Sonne sehen. Gerade rechtzeitig, denn jetzt wollen wir endlich Berge sehen, scheint die Schlechtwetterperiode ausgestanden zu
sein. Sie hat einen angenehmen Nebeneffekt, den wir erst jetzt richtig begreifen und den wir in den nächsten Tagen noch schätzenlernen: Wegen der tief hängenden Wolken gab es in den letzten Tagen kaum Flüge von und nach Lukhla. Das heißt, kaum ein Tourist kam über diese Route raus, kaum einer rein. (Ein paar ganz Verzweifelte waren uns auf dem Jiri-Trek beim Rauslaufen aus dem Tal begegnet; zu dem Zeitpunkt hatten wir keine Ahnung von der Dimension des Problems.) Wir sind also auch
weiterhin mit deutlich weniger Trekkern gleichzeitig unterwegs als es in der Hauptsaison üblich wäre. Neben unserer guten Gewöhnung an Laufen und Höhe, neben den wunderschönen Bildern und Erlebnissen, die uns die letzten Tage bescherten, hat unsere Art der "Anreise" also auch den Vorteil, dass wir nicht von Flugverbindungen und schlechtem Wetter ausgebremst wurden.
Nach einem scharfen Anstieg über Namche endlich der erste Blick auf den Everest. Wahnsinn. Wir sind so glücklich!!
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Wir sollen uns ja an die Höhe gewöhnen, laufen also weiter zum Dorf Khumjung (3780 Meter) mit der bekannten Hillary-School, die 1961 von Sir Edmund Hillary eröffnet wurde, und einer kleinen Gompa, die einen (angeblichen) Yeti-Skalp beherbergt. Gegen Mittag zieht es zu, das stört uns aber nicht weiter - wir haben den Everest (und nebenbei unsere ersten Yaks) gesehen! Nach einer frostigen Mittagspause in
einer Lodge steigen wir wieder ab nach Namche, getreu dem Motto 'Walk high, sleep low'.
Auf der nächsten Etappe nach Tengpoche herrscht Kaiserwetter. (Wir wissen es noch nicht: daran wird sich für den Rest des Treks nichts mehr ändern.) Wir nähern uns der 4000er-Grenze, haben aber nach wie vor überhaupt keine Probleme. Unser Etappenziel beim Kloster von Tengpoche ist zweifellos eines der schöneren. Die exponierte Lage mit Bergen rundum, das Kloster selbst, die ganze Stimmung hier. In unserer
Lodge dürfen wir als stille Beobachter an einer Puja teilnehmen; eigenartig und schön, eigenartig schön. Am Abend spielen Mönche, Träger und Guides auf knapp 4000 Metern Fußball; ein Tourist ist komischerweise nicht beteiligt.
Es geht weiter aufwärts, unser nächster Stop in Dengboche liegt gut 4400 Meter hoch. Wir biegen vom Everest-Basecamp-Trek ab und sind schlagartig wieder fast allein unterwegs. Wir haben nur eine kurze Etappe bis Chhukung vor uns, kommen dort schon gegen 11 Uhr an und haben erstmal Zeit für ausgiebiges Ausruhen in der Mittagssonne. Später steigen wir noch ein Stück höher, bis wir knapp über der 5000er-Marke
einen wunderbaren Panoramablick auf Lhotse-Gletscher, Ama Dablam, Baruntse und den 8000er Makalu haben. Bis zum Gipfel Chhukung Ri laufen wir nicht; es windet wie verrückt je höher wir kommen, und außerdem wird es morgen noch anstrengend genug.
In den letzten Tagen hatte sich schon angedeutet, dass unsere Mitwanderer gesundheitlich angeschlagen sind. Oli hatte sich mit verdorbenem Magen auf dem Anstieg nach Namche arg quälen müssen, Iris erwischte es dann in Tengboche. Magenprobleme, eine dicke Erkältung, die ungewohnte Höhe - sehr schweren Herzens entscheiden die beiden in Chhukung, wieder etwas abzusteigen, um sich halbwegs auszukurieren
und noch besser zu akklimatisieren. Wir müssen entscheiden, ob wir mit absteigen oder die Tour weiterlaufen wie geplant. Da wir bis auf den unvermeidlichen Khumbu-Husten keine Probleme haben und vor allem, weil es die Aussicht gibt, dass wir uns in ein paar Tagen in Gokyo wieder treffen können, trennen sich unsere Wege ab Chhukung. Wir würden mit Guide und einem Porter weiter über den Kongma La nach Lobuche und Gorak Shep ziehen, Iris und Oli würden mit Kobi bis Pangboche absteigen, dort ein, zwei Ruhetage
einlegen und - wenn es ihnen besser ging - Richtung Gokyo aufbrechen. Zwangsläufig bedeutet das für die beiden auch, das Everest Base Camp und damit Iris' Traumziel zu verpassen; das macht die Entscheidung ganz bitter.
Der Abschied am nächsten Morgen ist richtig hart. Wir haben auch ein schlechtes Gewissen, zu zweit weiterzugehen, denn schließlich kamen wir als Vierer-Gruppe. Wir trösten uns mit dem Gedanken, dass wir in Gokyo wieder zusammentreffen und dann zumindest den Rest der Tour gemeinsam gehen werden. Ehrlicherweise müssen wir aber wohl auch eine Portion Egoismus einräumen.
Wir brechen in Chhukung früh auf, uns steht ein langer und harter Tag bevor. Vom Start auf 4700 Metern bis zur Passhöhe auf 5535 Metern brauchen wir gut vier Stunden. Wir laufen wie immer schön stetig, ohne große Pausen; das Geheimnis beim Anstieg: Schritt für Schritt, immer nur die Füße setzen, nicht nach oben sehen - irgendwann ist es vorbei. Auf dem Kongma La sehen wir zum ersten Mal den Khumbu-Gletscher
unter uns, diese wahnsinnig große graue Masse Eis. Der Abstieg ist lang und nicht viel einfacher oder weniger anstrengend als der Anstieg, dann queren wir den Gletscher und erreichen Lobuche (4930 Meter), als die Sonne schon hinter den Bergen verschwunden ist. Die Lodge ist - wie der gesamte Ort - nicht gemütlich und vor allem eisig kalt; nachts frieren sowohl das Plumpsklo als auch meine Kontaktlinsen ein. Wir sind froh, am nächsten Morgen weiterzulaufen.
Die Etappe bis Gorak Shep ist kurz. Immer entlang am Khumbu-Gletscher geht es bis zum "Ort" auf 5160 Meter, der genau genommen nur eine Ansammlung von Lodges auf einer großen Wiese ist. Wir gönnen uns wieder eine Mittagspause in der Sonne, bevor wir zum Kala Patar aufsteigen. Vom berühmten Aussichtshügel auf 5545 Meter hat man einen sagenhaften Blick auf den Everest. Der Aufstieg ist anstrengend, was in
der Höhe nicht verwundert, aber auch nicht so schlimm. Und die Aussicht entschädigt natürlich für alles. Obwohl es saukalt und stürmisch ist, verbringen wir fast eine Stunde mit Schauen, Staunen, Fotografieren, Ergriffen- und Stolz-Sein. Der höchste Berg der Erde liegt zum Greifen nahe vor uns, flankiert von Lhotse und Nuptse. Was für ein Gefühl, hier zu stehen. Was für ein Geschenk, dass wir solche Reisen machen können. Die Tatsache, dass man unter Mühe und Anstrengung auf den eigenen Beinen hierher gelaufen
ist, macht das Erlebnis noch viel wertvoller.
Im Gegensatz zur letzten Übernachtung ist die Lodge in Gorak Shep sehr ok; wir sitzen fast allein im Aufenthaltsraum, bis eine große Gruppe offenbar gut betuchter US-Trekker ankommt, die nicht nur eigenes Essen und Geschirr dabei haben, sondern auch einen eigenen Gasofen. Aber wehe, du als "Fremder" setzt dich zu nah ran, um ein paar Strahlen abzubekommen. Es gibt wirklich merkwürdige Leute.
Am nächsten Morgen starten wir mit leichtem Gepäck zum Everest Base Camp. Wir sind außerhalb der Bergsteiger-Saison hier, deshalb ist das Camp, das Ausgangspunkt für alle Everest-Besteigungen von Süden aus ist, komplett leer. Nur ein paar Gebetsfahnen und mit Steinen terassierte Zeltplätze deuten darauf hin, wo wir hier sind. Direkt unterhalb des Khumbu Icefall zu stehen, ist schon ein besonderes Gefühl,
auch wenn von hier aus vom Everest nichts zu sehen ist. Wir müssen arg an Iris denken, die so gern hier gewesen wäre. Genau wie auf dem Kala Patar sind wir auch im Base Camp ganz allein; bei absoluter Stille die Eindrücke aufzusaugen, ist wirklich ganz besonders. Zurück in Gorak Shep verbringen wir einen ruhigen Nachmittag mit Lesen, Scrabblen und Vorfreude auf das, was noch kommt.
Für die Überquerung des nächsten Passes, des Cho La, um nach Gokyo zu kommen, braucht es zwei Tage. Von Gorak Shep geht es zunächst retour bis Lobuche, dann weiter fast ohne Steigung bis Dzonghla (4830 Meter) unterhalb des Cholatse. Der Wandertag ist kurz, was sich aber nicht anders machen lässt, denn zwischen Dzonghla und Tagnag liegen sechs Stunden und eben der Cho La. Also vertrödeln wir den Nachmittag wieder,
sitzen in der Sonne, genießen den Ausblick auf Ama Dablam und die Yak-Weide im Vordergrund.
Nach dem Lulli-Tag steht uns ein echter Kracher bevor. Bis zum Cho La auf 5420 Meter brauchen wir zweieinhalb Stunden, zum ersten Mal geht es über Schneefelder, was uns aber keine Schwierigkeiten macht. Oben am Pass ist grade richtig was los - einschließlich einer Gruppe Italiener, die erstmal einen "Gipfel"-Rotwein trinken; wir merken, dass wir Menschenmengen und lautes Geschwafel nicht mehr
gewöhnt sind. Die Menge ist zum Glück in entgegengesetzter Richtung unterwegs, so dass wir beim Abstieg, der sich endlos durch Geröll zieht, wieder allein sind. Die hart verdiente Mittagspause machen wir in Tagnag. Nach der Passüberquerung meint man, es kann nicht mehr schlimm werden. Aber die Querung des Ngozumpa Gletschers zieht sich ordentlich, langsam macht sich Erschöpfung breit. Zum Glück lenken die Ausblicke auf den Cho Oyu am Talende und die Eisberge, die wir umlaufen, ein wenig ab. Dann
nochmal ein letzter kleiner Anstieg über die Moräne und Gokyo liegt uns zu Füßen. Wir kommen nach 940 Meter Auf- und 960 Meter Abstieg ausgepowert und gleichzeitig unfassbar zufrieden an und freuen uns irrsinnig, als wir Iris und Oli wiedersehen. Die beiden haben ihre Erholungstage genutzt und sind wieder fit. Ab jetzt ist die Wandergruppe wieder komplett!
In Gokyo legen wir wieder einen Ruhe-Wandertag ein. Ohne groß Höhe überwinden zu müssen, wandern wir entlang des Ngozumpa-Gletschers in Richtung Talschluss. Es gibt insgesamt sechs Seen im Tal, wir laufen bis zum fünften. Das Panorama hier ist mal wieder erstklassig, mit Cho Oyu, Everest, Lhotse und Makalu liegen vier Achttauser vor uns. Die Bergwelt im Himalaya lässt sich nicht beschreiben. Man selbst
steht höher, als es in Europa überhaupt möglich ist und ist gegenüber diesen Riesen trotzdem so winzig. Lange sitzen wir an der Kante der Gletschermoräne und sehen uns satt, so weit das geht, während unsere drei Begleiter einen riesigen Steinmann bauen, den wir am Ende mit einem unserer Gebetsschals schmücken. Ein besonderer Moment für uns alle.
Wir haben noch einen Pass vor uns, von Gokyo auf 4830 Metern geht es hoch zum Renjo La (5345 Meter). Wieder machen wir uns früh auf den Weg, laufen eine Weile ganz gemütlich hoch über dem nördlichen Seeufer entlang, erst kurz vorm Pass wird der Anstieg knackig. Uns kann nach all dem Auf und Ab der letzten Tage irgendwie nichts mehr richtig schocken, zumal wie gehabt exzellentes Wetter herrscht und
wir damit weder schlechte Sicht noch Neuschnee oder überfrorene Wege fürchten müssen. Oben blicken wir nochmal zufrieden zurück auf Gokyo, auf Everest, Lhotse und Makalu. Ab jetzt geht es nur noch abwärts.
Wie immer ist auch hier der Abstieg lang, bis Lungden (4350 Meter) haben wir noch ein gutes Stück zu gehen. In dem winzigen Ort kommen wir in einer ganz neuen Lodge unter, die Zimmer haben sogar eigene Toilette (wenn auch keine Klobrille; aber man kann eben nicht alles haben). Über Marulung geht es am nächsten Tag nach Thame, man folgt hier jahrhundertealten Pfaden von Salz- und Getreidehändlern, die
ihre Waren über den Nangpa La nach Tibet brachten. In Thame besuchen wir das Kloster, das wie ein Adlernest am Felsen hoch über dem Dorf klebt. Wir steigen weiter ab, übernachten in Thamo (3440 Meter), wo wir den 1.Advent mit weitgereisten Lebkuchen feiern (unsere nepalesischen Begleiter sind nicht ganz so begeistert, aber essen höflich mit). Wir laufen nun wieder durch dichter besiedeltes Gebiet mit "echtem" Leben in Orten, in denen nicht nur ein paar Hüten und Lodges für die Trekker stehen.
Und dann sind wir auch schon wieder in Namche. Nach elf Tagen schließt sich der Kreis, wir kommen zurück aus nordwestlicher Richtung, aufgebrochen waren wir gen Nordosten. Beim Blick auf den Ort unter uns sind wir ziemlich ergriffen, wir haben einiges gesehen und erlebt bis hierher.
Für Wehmut ist es aber noch zu früh, denn wir steigen weiter ab nach Monjo (2840 Meter), brauchen also noch ein paar Kräfte und etwas Konzentration. Zum letzten Mal gibt es zum Abendessen Dal Bhat, ohne das vermutlich kein Nepal-Trekker überleben würde. Bis Lukla ist es dann nur noch ein halber Tag, auf dem Weg dorthin begegnet uns noch einmal alles, was uns schon auf dem Hinweg fasziniert hat. Wieder schauen
wir etwas fassunglos den Karawanen einheimischer Träger hinterher, die neben Baumaterial für Hütten und Lodges auch so Lebensnotwendiges wie Dosenbier und Cornflakes den Berg hoch schleppen. Manches hier ist schon grenzwertig; aber wir sind Teil davon, so ehrlich muss man sein.
Mit großen Erwartungen kommen wir in Lukla an und finden die angesichts eines sehr netten Cafes (nicht Starbucks!) und einer ganz passablen Bar auch hinlänglich erfüllt. Dass unsere letzte Unterkunft - passenderweise - recht rustikal ist, macht uns jetzt auch nichts mehr aus. Wir verbringen einen langen Abend mit viel Trinken, etwas weniger Essen, mit Abschied nehmen und Tanzen.
So ruhig unsere Abende und Nächte während des Treks waren, so wild geht es am letzten Abend zu. Mit entsprechend müden Gliedern und schwerem Kopf geht es frühmorgens zum Airport, der in Wahrheit nur ein Wartesaal mit angeschlossener, arg schräg verlaufender Piste ist.
Viel hört und liest man über die Gefahren des Fliegens in Nepal und vor allem über die Start- und Landebahn in Lukhla. Wir beschäftigen uns mit diesen Gedanken nicht weiter, sind zunächst einfach nur froh, dass das Wetter mitspielt und die Flüge überhaupt gehen. Fasziniert schauen wir den wenigen ankommenden und abgehenden kleinen Propellermaschinen zu, noch etwas ungläubig, dass wir demnächst
selbst in einer sitzen (und zittern?) werden. Mit etwas Verspätung startet die Achterbahn mit einer Handvoll Passagiere, einem supercoolen Piloten und sogar einer Stewardess. Und bis auf den Absacker nach dem Ende der Startbahn, wo der Hang unter uns senkrecht abfällt, ist der Flug ganz ok. Unter ohrenbetäubendem Lärm fliegen wir nun ganz einfach über das Tal, das wir vor drei Wochen so ausgiebig abgelaufen sind. Wir haben wirklich alles richtig gemacht: "gemütlich"
Einwandern, dann den Wahnsinns-'Drei-Pässe-Trek' und zum Abschluss das Abenteuer Lukhla-Flug.
Unsere Zahlenbilanz des 21-tägigen Treks:
Gesamtaufstieg : 17.545m
Gesamtabstieg : 17.105m
Pässe:
Kongma La : 5335müNN
Cho La : 5360müNN
Renjo La : 5415müNN
höchster Punkt:
Kalar Patar : 5614müNN
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Die Ankunft in der "Zivilisation" in Kathmandu ist etwas merkwürdig. Nach so vielen Tagen, an denen es außer den eigenen Füßen keine Fortbewegungsmittel gab, sind der Verkehr und die Hektik in der Stadt heftig. Wir sind froh, etwas Ruhe im Hotel zu finden, bevor es weitergeht und wir die zwei verbleibenden Tage mit Sightseeing verbringen. Wir sind immer noch etwas ungläubig darüber,
was wir in den letzten drei Wochen gesehen und erlebt haben. Das sagenhafte Wetterglück, das uns abgesehen von drei, vier Tagen zu Beginn des Treks diese wahnsinnige Bergwelt fast ausschließlich bei Sonne hat erleben lassen; ganz allein im Everest Base Camp und auf dem Kala Patar zu stehen; einige der höchsten und schönsten Berge unserer Erde so nah und aus so vielen Blickwinkeln zu sehen; Begegnungen mit Mönchen, Manisteinen, Gebetsmühlen; natürlich auch die Strapazen des Trekkings und die eine oder
andere Entbehrung und gleichzeitig unsere physische Leistung, auf die wir stolz sind. Unsere Köpfe sind wirklich voll.
Nichtsdestotrotz stürzen wir uns noch einmal für zwei Tage ins Getümmel. Wir besuchen die alte Königsstadt Bakthapur, wahrscheinlich im 9. Jahrhundert gegründet, wo man herrlich - weil autofrei - zwischen der Altstadt, Tempeln und Pagoden hindurchspazieren kann. Der Platz der Töpferer, die vielen Stoff-, Obst-
und Souvenirläden, buntes Leben und Treiben überall. Der große Stupa in Bodnath ist einer der wichtigsten Plätze für buddhistische Pilger in Nepal. Wir lassen diesen sagenhaften Ort erst einmal von der Dachterrasse eines kleinen Restaurants auf uns wirken. Dann schließen wir uns den Pilgern an, die das aus dem 5. Jahrhundert stammende Bauwerk umrunden, dabei ihre Gebetsmühlen drehen und ein 'Om mani padme om' beten. Von allen Seiten sind bunte Gebetsfahren bis hinauf zur Spitze gespannt; so sollen
die Gebete zu den Göttern getragen werden. Und dann noch der Shiva-Tempel Pashupathinath, das größte Heiligtum der Hindus. Wir dürfen zwar nicht alle Bereiche betreten; aber vor allem die Atmosphäre am Fluss, wo die Toten verbrannt werden, ist sehr besonders. Es ist ein eigenartiges Gefühl, als Fremder, als Tourist nur ein paar Meter entfernt von etwas so Privatem zu stehen. Die Kleidung der Toten, ihr Schmuck und schließlich auch ihre Asche werden in den Fluss geworfen; ein paar hundert Meter flussabwärts
fischen arme Gestalten das Brauchbare wieder heraus. Gleichzeitig fremd und faszinierend - diese Gefühlsmischung haben wir in Nepal nicht nur ein Mal empfunden. Sadhus sitzen wie versteinert in den Nischen und meditieren, wachen aber stets mit einem Auge darüber, jedes kostenlose Foto zu verhindern. Farbpulver in den leuchtendsten Farben wird an Dutzenden Ständen verkauft, und zwischen all dem springen Affen herum - eine ganz eigene Welt.
Dass wir am letzten Abend noch einmal durch Thamel streifen, etlichen Souvenirs weder widerstehen können noch wollen und am Ende in einer Rooftop-Bar bei einem kühlen Getränk den Sonnenuntergang erleben, ist ein würdiger Abschluss.
Der Rest ist schnell erzählt. Ein langer, langer Heimflug. Ankommen in Frankfurt, Kopf und Herz voller Eindrücke, die mit Deutschland in der Vorweihnachtszeit manchmal nur schwer in Einklang zu bringen sind. Das gute Gefühl, dass wir mit dieser Reise absolut richtig lagen, dass uns sowohl lange Trekkings als auch Nepal kein bisschen abgeschreckt haben, uns im Gegenteil sicher nicht zum letzten Mal gesehen haben.
Wir sind sehr froh, dass wir mit Reisepartnern wie Iris und Oli unterwegs sein konnten; und wir sind sehr dankbar, dass wir diese Reise ohne große Blessuren überstanden haben, dafür mit unzähligen und vor allem unbezahlbaren neuen Bildern zurückkommen.
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